Obsession
auf Dauer daran hindern, den Jungen zu
sehen.»
Ben schwenkte das Bier in seinem Glas. «Wirklich nicht?»
Er hatte bereits dem Sozialarbeiter erzählt, was geschehen war. Carlisle hatte dabei das müde Gesicht eines Mannes aufgesetzt,
der all das nicht zum ersten Mal hörte. Widerwillig hatte er sich bereit erklärt, mit den Coles zu sprechen, aber nachdem
Sandra ihm gesagt hatte, dass Ben zu spät und betrunken erschienen sei, war sein Verhalten geradezu abweisend geworden. Auf
Bens Protest, dass sie gelogen habe, entgegnete er eisig und bestimmt, dass die Behörden sich nicht in «persönliche Kabbeleien»
einmischen könnten.
Aufgebracht war er zu Ann Usherwood gegangen. Er hatte erwartet, dass sie ihn beruhigte und versprach, etwas zu unternehmen.
Stattdessen warnte sie ihn, dass die Sozialbehörden dafür bekannt waren, sich nur ungern in Streitereien um den Umgangskontakt
verwickeln zu lassen. Wenn Cole ihn weiterhin davon abhalte, Jacob zu sehen, könne Ben ihn letzten Endes vor Gericht bringen,
räumte sie ein. Aber solche Kontroversen auszutragen sei immer kostspielig und unschön, und die Urteile wären nur schwer durchzusetzen.
|167| Bei dem Gedanken an Cole wusste Ben, dass es unmöglich sein würde.
In einem letzten verzweifelten Versuch hatte er sich an Sandra Cole gewandt und sie tagsüber angerufen, während ihr Ehemann
bei der Arbeit war. Er hatte gehofft, sie dazu bringen zu können, dass sie auf ihn einwirkte. «Mir ist klar, dass es zwischen
uns bisher schlecht gelaufen ist», hatte er gesagt, ehe sie auflegen konnte. «Aber ich versuche nicht, Ihnen Jacob wieder
wegzunehmen. Ich will ihn nur gelegentlich sehen dürfen.»
«Das geht mich nichts an», hatte sie gleichgültig geantwortet. «Es ist Johns Kind, nicht meins.»
«Aber Sie sind seine Frau. Können Sie nicht ...?»
«Nein, kann ich nicht», unterbrach sie ihn. «Warum lecken Sie uns nicht einfach am Arsch?»
Es fiel ihm schwer, sie nicht anzubrüllen. «Ich werde nicht so einfach aufgeben.»
Er konnte sie tief einatmen hören. «Das würden Sie, wenn Sie nur ein bisschen Verstand hätten», hatte sie dann gesagt und
damit das Gespräch beendet.
Aber er konnte es nicht dabei belassen. Die Alternative wäre, die Distanz zwischen ihm und Jacob mit jedem Monat größer werden
zu lassen. Der Junge war erst sechs Jahre alt, zudem Autist. Er war zu einem normalen Umgang nicht fähig und würde sich vielleicht
irgendwann nicht mehr an die Beziehung zu einem Menschen aus einem halbvergessenen Leben erinnern. Dann würden sich Bens Erinnerungen
an seine Ehe mit Sarah und an die Familie, die er einmal für die seine gehalten hatte, schließlich als wertlos erweisen, in
Staub auflösen und davonwehen.
Er hörte auf, mit seinem Bier zu spielen, und trank einen Schluck. «Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll», |168| sagte er und stellte das Glas ab. «Cole hat sich bereits entschieden, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er sein Verhalten
plötzlich ändert.»
Die Zigarre hüllte Keiths Kopf in aromatischen Rauch. «Gibt es nicht noch irgendjemanden, mit dem du reden könntest? Ein Freund
oder ein Nachbar, der vermitteln könnte, zum Beispiel. Der ihn zur Vernunft bringt.»
«Ich glaube nicht», erwiderte Ben. Doch schon während er das sagte, war ihm jemand eingefallen.
Es war der erste Samstag, den er sich seit der durchzechten Nacht mit Zoe freinahm. Er wachte früh auf und machte sich Rühreier
mit gerösteten Tomaten. Er aß am Küchentisch, der ihm jetzt, da er der einzige Mensch war, der ihn benutzte, viel zu groß
erschien. Weil er danach immer noch Hunger hatte, aß er eine Schüssel Müsli. Ihm war aufgefallen, dass er mehr von seinem
Essen schmeckte, seit er weniger rauchte.
Er wäre sofort aufgebrochen, hatte aber das Gefühl, dass er zuerst den Friedhof besuchen sollte. Nach der Beerdigung war er
nur einmal dort gewesen, und bisher hatte er nicht das Bedürfnis verspürt, vor einem Flecken Erde zu stehen. Er dachte ja
sowieso jeden Tag an Sarah. An diesem Morgen zog es ihn jedoch zu ihrem Grab.
Der Wind roch nach Regen, als er über den Friedhof ging. Eines Nachts hatten sie bei einem Glas Wein über den Tod gesprochen,
und Sarah hatte ihm erzählt, dass sie beerdigt werden wollte. Ben hatte gesagt, dass er verbrannt werden wolle, abgesehen
von seinem besten Stück, das sie als Andenken aufbewahren könne. Ehe er die Gelegenheit hatte, darüber zu
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