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Obsession

Titel: Obsession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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wer Sie sind.»
    Paterson drehte sich wieder zur Spüle um, schob das Ei in den Mund und wischte sich die Lippen mit den Fingern ab.
    «Tut mir leid, wenn ich Sie überrumpelt habe.» Aber Ben hatte irgendwie das Gefühl, er sei derjenige, der sich in einer peinlichen
     Situation befand.
    Als Paterson seine Hände an einem Handtuch abwischte, schaukelten unter seinen Armen kleine Hautfalten. Er hatte die massige
     Statur eines einst kräftigen Mannes, den die Zeit eingeholt hatte. Er hängte das Handtuch an einen Haken neben der Spüle.
     «Was wollen Sie?»
    Ben war sich bereits sicher, dass der Besuch umsonst war. «Ich würde gern mit Ihnen und Ihrer Frau sprechen. Wegen Jacob.»
Wenn er «Steven» sagt, drehe ich mich um und gehe.
    «Was ist mit ihm?»
    Der Blick des Mannes war weder feindselig noch einladend. |172| Er animierte Ben dazu, direkt zu sein. «John Cole hindert mich daran, ihn zu sehen. Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht
     helfen.»
    Paterson drehte sich wieder zur Spüle um. «Wir können Ihnen nicht helfen.»
    «Ich dachte, Sie könnten vielleicht mit ihm reden. Ihm erklären, dass ich ihm Jacob nicht wieder wegnehmen will. Ich möchte
     nur   ... ich möchte ihn nur ab und zu sehen.»
    Jacobs Großvater schüttelte den Kopf, ohne sich umzudrehen. Ben blieb neben der offenen Eingangstür stehen, unfähig zu gehen,
     obwohl er auch nicht wusste, was er noch sagen sollte. Hinter der Tür am anderen Ende der Küche war ein mechanisches Summen
     zu hören. Paterson warf ihm einen kurzen Blick zu und ging hinaus. Das Geräusch wurde lauter, es schien von irgendeinem elektrischen
     Motor zu stammen. Dann stoppte es und er hörte Stimmen. Es entstanden andere Geräusche, die er nicht zuordnen konnte, und
     schließlich schwang die Küchentür auf. Eine Frau im Rollstuhl kam herein, von Paterson geschoben, und Ben wurde klar, dass
     das Summen ein Treppenlift gewesen war.
    Mary Paterson war spindeldürr, ihr Haar musste einmal rot gewesen sein und war nun, da es ergraute, orangefarben. Mit dunklen
     Knopfaugen, einem Vogel gleich, musterte sie Ben.
    «Schließen Sie die Tür», sagte sie.
     
    Sie saßen am Küchentisch und tranken Tee. Neben den Geranien stand nun ein Teller mit Vollkornkeksen. Erst hatte Ben aus reiner
     Höflichkeit einen gekostet, dann hatte seine Hand immer wieder von allein zugegriffen, bis der Teller fast leer war.
    Eigentlich mochte er Vollkorngebäck nicht.
    |173| «Sie hat ihn verlassen, verstehen Sie», sagte Mary. In ihrem Rollstuhl saß sie etwas niedriger als Ben oder ihr Ehemann auf
     den harten Küchenstühlen. Sie sah aus wie ein runzliges Kind. «Sie ist wieder bei uns eingezogen, wenige Monate nachdem Steven
     – nachdem Jacob», verbesserte sie sich, verärgert über ihren Fehler, «...   nachdem Jacob verschwunden war. Zu der Zeit waren wir schon hierher zurückgekehrt. Als Ron in den frühzeitigen Ruhestand ging,
     sind wir ja nur nach London gezogen, um in der Nähe meiner Schwester zu sein. Aber als das im Krankenhaus passierte   ... Tja, du sagst dir, es ist nicht deine Schuld, aber wenn Jeanette uns nicht nach London begleitet hätte   ...»
    Sie beendete den Satz nicht. «John sprach es nie aus, aber wir hatten immer das Gefühl, dass er uns verantwortlich machte.
     Teilweise jedenfalls. Und als sie ihn dann verlassen hat und wieder zu uns gekommen ist, war es ganz aus bei ihm. Ich glaube,
     das hat er uns nie verziehen.»
    «Aber Jacob ist Ihr Enkel. Sie haben doch ein Recht, ihn zu sehen.»
    Sie schaute hinüber zu ihrem Mann. Sie schienen sich wortlos auszutauschen. «Sie auch. Aber das zählt bei John Cole nicht
     viel, oder?»
    Ben wusste nicht, ob er sich freuen sollte, Leute gefunden zu haben, die auch unter Coles Unvernunft litten, oder ob er enttäuscht
     war, dass sich auch dieser vermeintliche Ausweg als Sackgasse erwiesen hatte. Aber vor allem hatte er Mitgefühl für die Patersons.
     «Was hat Cole gesagt?»
    «Kein Wort.» Ron Paterson brach einen Keks über dem Teller in zwei Teile, die er noch einmal teilte. Er hatte inzwischen ein
     Hemd angezogen und erklärt, dass er beim Klopfen an der Tür gedacht habe, Ben wäre ein Freund, ein Witwer, mit dem er jeden
     Samstag einkaufen ging. Als ihm nun auffiel, was er |174| mit dem Keks tat, legte er ihn hin. «Wir haben nicht mit ihm gesprochen. Nur mit dieser Frau. Sie hat mir gesagt, wir sollten
     nie wieder anrufen.» Seine Lippen strafften sich zu einer strengen Linie. «Unflätiges

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