Obsession
sowieso niemand, dachte er.
Als er die Badtür öffnete, sah er Keith auf ihn warten. «Ich hatte gehofft, dass du hier bist», sagte Keith und streckte sich.
«Du, es tut mir leid, ich hätte besser den Mund gehalten, ich weiß», begann Ben, aber Keith hörte nicht zu.
«Ich muss reden.» Er sprach leise, aber eindringlich. Er griff nach Bens Arm, führte ihn von der Treppe weg zu seinem Arbeitszimmer,
öffnete die Tür und machte das Licht an. Tessas Handschrift war selbst hier zu erkennen, es sei denn, Keith hatte mittlerweile
eine Vorliebe für Malvenfarbe. Der neue Computermonitor auf der Lederunterlage des Schreibtisches wirkte gleichzeitig anachronistisch
modern und ehrlich im Gegensatz zu dem teuren, aber spießigen und auf alt getrimmten Mobiliar.
Keith schloss die Tür. Seine Augen hatten einen glasigen Blick, und überrascht erkannte Ben, dass sein Freund betrunken war.
«Was ist los?»
Abgesehen von den Alkoholeinwirkungen sah das Gesicht seines Freundes abgespannt aus. Er schaute nervös zur Tür. «Ich habe
eine Affäre.»
Der Versuch, beiläufig zu klingen, schlug fehl. Als er Bens Miene sah, lächelte er schwach. «Ich weiß. Ich kann es selbst
nicht glauben.»
Ben vermutete, dass es eine Art Etikette für solche Gespräche gab, aber er hatte keine Ahnung, welche. «Wer ist es?»
Keith strich mit einer Hand über den Rand der Computertastatur, |204| als würde er sie auf nicht vorhandenen Staub überprüfen. «Sie arbeitet für eine Plattenfirma, die eine von unseren Bands unter
Vertrag hat.»
Ben spürte eine seltsame Erleichterung, dass es keine glamourösere Person war. «Wie lange geht es schon?»
«Fast einen Monat. Ich kenne sie schon länger, aber nicht ... Vorher haben wir uns immer nur wegen der Arbeit getroffen. Vor ein paar Wochen gab es dann eine Party, um die Veröffentlichung
des neuen Albums der Band zu feiern, und da kamen wir ins Gespräch und ... da ist es irgendwie passiert.»
«Hast du sie seitdem wiedergesehen?»
«Nicht nur einmal. Sie wohnt nicht weit von der Kanzlei entfernt, deshalb treffen wir uns in der Mittagspause in ihrer Wohnung.
Und ein- oder zweimal habe ich Tessa gesagt, ich müsste länger arbeiten.» Er lachte humorlos auf. «Die alte Leier.» Er setzte
sich. «Ich kann nicht glauben, dass es passiert ist. Ich hätte nie gedacht, dass ich ein Typ für Affären wäre.»
Ben auch nicht, aber das sagte er nicht. «Weiß Tessa davon?»
«Um Himmels willen, nein!» Keith sah entsetzt aus. «Sie hat keine Ahnung. Nein, niemand weiß davon. Ich wollte es dir eigentlich
auch nicht erzählen, aber ...» Er fuhr mit der Hand durch sein Haar, danach stand eine dünne Strähne ab. «Ich fühle mich wie ein komplettes Arschloch.
Tessa wollte, dass ich heute Abend eine
Rede
halte.»
«Und wirst du es beenden? Mit der anderen, meine ich?»
Keith brauchte einen Moment für die Antwort. «Ich glaube, ich kann es nicht.» Er klang elend.
«Was ist mit ihr? Was denkt sie?»
«Wir haben eigentlich nicht darüber gesprochen.» Er warf |205| Ben einen seltsamen Blick zu. «Sie ist erst zweiundzwanzig.»
In den Worten schwang ein wenig Stolz mit, und Ben war kurz davor zu grinsen. Bei solchen Dingen schien sich automatisch ein
männliches Einverständnis einzustellen. Doch beide rückten gleichzeitig davon ab. Ben musste an Tessa und ihre altmodischen
Kleider denken, daran, dass sie, ohne es zu wissen, in Konkurrenz zu einer zehn Jahre jüngeren Frau stand, und hatte unerwartet
Mitleid mit ihr.
«Was hast du jetzt vor?», fragte er.
«Ich habe nicht die geringste Ahnung.»
Es entstand eine Stille, in der Ben wünschte, ihm würden ein paar aufbauende Worte einfallen. Keith stand auf.
«Na gut, ich schätze, wir gehen besser wieder runter zur Party.»
Ben blieb bis zum Schluss. Nicht nur um Keiths willen, sondern auch um Tessas. Wenn er früh gegangen wäre, wäre es für sie
ein Schlag ins Gesicht gewesen. Ein Schlag, den sie wahrscheinlich nicht gespürt hätte, musste er zugeben, aber er konnte
es dennoch nicht übers Herz bringen. Als die beiden ihn zur Tür begleiteten, um ihn zu verabschieden, wünschte er, Keith hätte
ihm nicht von der Affäre erzählt. Er wollte nicht, dass Tessa ihm leidtat, aber er konnte nichts dagegen tun.
«Danke, es war toll», log er, während er sie auf die überpuderte Wange küsste und dabei ihr blumiges, unerotisches Parfüm
roch.
«Schön, dass es dir gefallen hat. Und danke
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