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Occupy Economics

Occupy Economics

Titel: Occupy Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Josef Hoffman
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man hineingreifen und etwas schlüssig prognostizieren kann.
    Zwar könnte man argumentieren, die neoklassische Modelltheorie wäre so ein Werkzeugkasten, aus dem man sich bedienen könnte. Nur leider handelt es sich hierbei um ein realitätsfernes Modell, das zwar in sich schlüssig, aber genauso unbrauchbar ist wie praktisch. Praktisch deshalb, weil man die Theorie als geschlossenes Argumentationsgebäude wunderbar lehren, lernen und abfragen kann, ideal für unsere Universitäten, aber leider alles nur wunderbare Gedankenakrobatik mit wenig Realitätsbezug, was man daran erkennen kann, dass sie kaum eine Verbindung zur Schwesterdisziplin hat, zur Betriebswirtschaftslehre, terminologisch eigentlich gar keine.
    Allein die Betrachtung der Realität rückt die Dinge zurecht, verschiebt die Gewichte, eröffnet den Dialog. »Man sieht nur, was man weiß« lautet ein Aphorismus von Goethe. In der betrieblichen Realität heißt eine schlichte Weisheit »Gefahr erkannt – Gefahr gebannt«. Beides heißt spiegelbildlich nichts anderes, als dass schon mit dem richtigen Erkennen, dem richtigen Sehen des Problems, die Lösung offenbar wird.
    Das Gegenteil von sehen ist glauben. Da gibt es tatsächlich Leute, die glauben an den Markt oder die Marktwirtschaft, und andere glauben, dass das Kapital ein Recht darauf hat, verzinst zu werden. Wieder andere glauben an den Wettbewerb, die Zentralverwaltungswirtschaft oder den Sozialismus. Ich möchte das Gewicht dahin verschieben, dass man als Erstes die Dinge sehen muss, dass man sie ansehen muss und dann Theorien entwickeln. Theorien haben mit ihren Dogmen vom Markt, von der Gerechtigkeit oder vom Wettbewerb die Tendenz, sich zu verselbstständigen, ein Eigenleben zu entwickeln. Die Verknüpfung von Realität und Glaubenssätzen erfolgt mithilfe der Logik. Die Logik ist die Falle, die dazu verführt, Glauben mit Realität zu verwechseln, einer Realität, die besteht aus: der Welt selbst, also den Meeren, den Gebirgen, den Landschaften, der Biosphäre und uns Menschen als Teil der Biosphäre sowie den Dingen, die wir seit der Vertreibung aus dem Paradies, also seit circa 20 000 Jahren, künstlich erschaffen haben. Wir kleinen Menschen rackern uns ab, um unserer Bestimmung nachzukommen, der Fortpflanzung, oder – anders als die Tierwelt – einem jenseitigen Ziel. Zu unserer existenziellen Erleichterung haben wir mittels Erkenntnis die Technik und die Arbeitsteilung entwickelt. Beides zusammen nutzen wir seit ewigen Zeiten im Zusammenleben mit unseren Mitmenschen. Nur seit etwa zweihundert Jahren mit Beginn der industriellen Revolution explodiert das System von Marktwirtschaft und Kapitalismus, sodass wir den Überblick verloren haben. Die Einsicht in die ökonomischen Zusammenhänge hat mit der technischen und organisatorischen Entwicklung nicht standgehalten. Wir fokussierten unser Denken auf falsche Theorien mit einer Inbrunst, dass uns der Blick auf das Wesentliche verloren gegangen ist: auf die Realität.
    Deshalb muss man die Gewichte wegschieben von den Theorien und Modellen hin zu dem, was wirklich ist, zu den Dingen, die man vorrangig sehen muss. Erst danach werden die funktionalen Dinge wie Markt, Wettbewerb oder Kapital eingeordnet, dann bekommen sie einen Platz, wo man sie wiederfindet, wo man sie nicht nur vermutet, sondern man weiß, wo sie zu finden sind.
    2.1 Der öffentliche Markt und die Privatsphäre
    Und natürlich beginnt die Betrachtung beim Markt, also dem Begriff, der die Marktwirtschaft von anderen Wirtschaftsformen unterscheidbar macht. Der Markt ist ein bedeutendes Phänomen, aber einer der Kardinalfehler unserer Ökonomik ist, dass sie den Markt ins Zentrum der Betrachtung stellt. Den »Wohlstand der Nationen« haben wir dem Markt zu verdanken, meint Adam Smith. Das marktzentrische Denken mag zwar im ersten Moment schlüssig sein, aber wenn man sich die Welt so richtig betrachtet, könnte man vielleicht auch ein Buch so betiteln, dass wir den »Untergang der Menschheit« dereinst ebenfalls dem Markt zu verdanken haben werden. Auf die ökologischen Schieflagen wurde schon einmal kurz hingewiesen. Nicht selten wird ihr Entstehen damit begründet, dass »der Markt es so will«. Dennoch beginnt diese Betrachtung der Ökonomie bei der Analyse des Marktes, weil er zwar nicht im Mittelpunkt der Welt, auch nicht im Mittelpunkt des Lebens steht, aber er steht im Mittelpunkt der Ökonomik, der Lehre.
    Einem Positionspapier des Liberalen Aufbruchs 10 vom Frühjahr

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