Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
Vom Netzwerk:
auf den Boden. Mein Herz hämmerte wie wild, während ich auf das Buchstarrte und fast erwartete, dass es sich von selbst aufschlagen, zum Jahr 1993 blättern und mich zwingen würde, der Wahrheit erneut ins Gesicht zu sehen.
    Ich hatte noch immer keine Ahnung, wer Charlotte Bleu war. Aber der glückliche, ahnungslose Mann an ihrer Seite war mit seiner gebeugten Riesengestalt und der wirren Haarmähne absolut unverkennbar.
    Big Papa.

K APITEL 22
    I ch war taub für alles um mich herum, für das Prasseln des Regens auf dem Wagendach und das Quietschen der Scheibenwischer. Ich hörte weder die Reifen über den Asphalt brausen noch den Wind vorbeizischen. Auch nicht die Musik im Radio oder das Handy, das auf dem Beifahrersitz vibrierte. Ich hörte nicht, wie das Blut in meinen Ohren rauschte, wie ich in kurzen Stößen atmete, und ganz besonders hörte ich die hundert wirren Gedanken und Fragen nicht, die mir durch den Kopf schossen. Ich war taub für alles andere, denn ich horchte nur nach Justines Stimme.
    Das Handy summte wieder, aber ich ignorierte es. Keine Ahnung, wie lange ich schon herumfuhr, und der Anruf konnte nur von Mom oder Simon stammen, die wissen wollten, ob mit mir alles in Ordnung war. Darauf konnte ich ihnen jetzt nicht antworten. Wenn es stimmte, was im Scrapbook stand, wenn Big Papa nicht der war, für den ich ihn immer gehalten hatte … wenn ich selbst nicht die Person war, für die ich mich immer gehalten hatte … dann würde nie wieder alles in Ordnung sein. Weder für mich noch für sie.
    »Sag es«, flüsterte ich und umklammerte das Steuerrad so fest, dass sich meine Fingernägel in die Handflächen bohrten. »Sag es schon.« Aber sie schwieg. Sie weigerte sich zu sagen, was ich von ihr hören wollte und so dringend brauchte.
    Ich trat hart aufs Gaspedal. Die beleuchteten Fenster derRestaurants und Läden leuchteten schwach durch die Dunkelheit, und ich fuhr noch schneller, bevor der pechschwarze Himmel das letzte Licht verschlingen konnte. Wohin ich auf dem Weg war oder ob ich überhaupt ein Ziel hatte, darüber dachte ich nicht nach. Ich hatte mich einfach nur auf den Fahrersitz geworfen, den Motor angelassen, und seitdem führten meine Hände und Füße ein Eigenleben.
    »Bitte«, bettelte ich in Gedanken, als der Wagen in den Burton Drive abbog, »das kann einfach nicht wahr sein. Sag mir, dass es nicht wahr ist.«
    Ich blieb in der Auffahrt stehen und starrte unser Ferienhaus an, das abwechselnd verschwommen und glasklar zu sehen war, wenn die Scheibenwischer das Wasser fortschoben. Da Justine immer noch stumm blieb, stellte ich den Motor aus und stieg aus dem Wagen. Ich ging durch den Vorgarten, am Haus entlang und dann geradewegs weiter. Der Regen war so stark, dass mir das Haar und die Kleider sofort an der Haut klebten, aber das fühlte ich kaum. Ich bemerkte nur unterbewusst, dass der BMW fehlte, was bedeutete, Mom war nicht zu Hause.
    Meine Hände griffen nach dem Ruderboot, bevor ich verstand, wohin meine Füße mich geführt hatten. Ich zog es aus dem Schuppen und durch das rutschige, nasse Gras bis zum Seeufer. Dort stieß ich das Boot ins Wasser, schob es hinaus und folgte hinterher. Ich spürte die Kälte nicht, die durch meine Schuhe drang, meine Knöchel umspülte und dann meine Beine hinaufwanderte. So tief war ich seit zwei Jahren nicht mehr ins Wasser gegangen, und ich begriff selbst nicht, was ich hier tat. Eigentlich hätte ich auf dem Highway sein sollen, fort von Winter Harbor, fort von der Küste, dem Meer und den Seen, fort von der Wahrheit, die ich nicht glauben wollte und doch nicht leugnen konnte.
    Als das Wasser meine Oberschenkel erreicht hatte, wateteich zur Längsseite des Bootes und zog mich hinein. Zuerst ruderte ich langsam, doch nachdem meine Hände den richtigen Halt an den Rudern gefunden hatten, schoss ich durchs Wasser, als sei es nichts als pure Luft. Ich steuerte vom Ufer fort, ohne mich nach unserem Haus oder dem der Carmichaels umzuschauen. Weiter und weiter ruderte ich vom Ufer fort. Justines Lieblingsstelle war schon immer der Punkt gewesen, wo der See die größte Tiefe hatte. Dort waren wir auch gewesen, als Big Papa das Foto geknipst hatte, das in der Mitte von Justines Pinnwand steckte.
    Als ich fast angekommen war, holte ich die Ruder ein und ließ das Boot treiben. Ich zog meinen durchnässten Pulli aus und krempelte meine Hosenbeine hoch. Obwohl meine Haut schon völlig ausgekühlt war, spürte ich die Regentropfen kälter werden und

Weitere Kostenlose Bücher