Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
flüsterte ich, und das Wasser umschloss meine Ellbogen, meine Oberarme, meine Schultern. »Es tut mir so furchtbar leid.«
»Vanessa!«
Ich erstarrte.
»Vanessa!«
Verwirrt fuhr ich empor und versuchte, mit schmalen Augen durch den Regen zu schauen. Ein anderes Boot kam auf mich zu … so schnell, als würde es gegen eine unsichtbare Zeituhr anrudern. Ich drehte mich um und griff nach den Rudern, die ich auf dem Boden abgelegt hatte.
»Bleib, wo du bist!«
In meiner Panik kam ich mit den rutschigen Holzgriffen nicht zurecht. Die Ruder platschten ohne große Wirkung im Wasser herum, und obwohl sich meine Arme schneller bewegten als bei meiner Hinfahrt, hatte ich keine Chance gegen einen Ruderer vom Bates-College-Team. Für jeden Meter, den ich zurücklegte, schafften die Brüder gleich zwei.
»Halt an!« Ich holte meine Ruder ein und krabbelte hastig zum Ende des Bootes. »Bleib da. Bitte.«
»Alles wird gut, Vanessa.« Caleb lehnte sich über die Bordwand und streckte den Arm nach meinem Boot aus. »Du bist in Sicherheit.«
Ich tauchte die Hände ins Wasser und versuchte, mit Hundepaddeln zu entkommen, aber mein Boot wurde festgehalten und dümpelte nur auf und ab. »Komm nicht rüber, Caleb.« Erneut brannten mir Tränen in den Augen. »Bitte … bleib einfach, wo du bist.«
Ich stieß einen Schrei aus, als zwei starke Arme meine Taille umfingen und mich vom Rand zurückzogen. Vergeblich zerrte ich an Simons Fingern und versuchte, sie von meinem Körper zu lösen. »Simon«, schluchzte ich. »Bitte. Lass mich gehen.«
Er zog mich so nah heran, dass mein Rücken gegen seine Brust gedrückt war. Ich schloss die Augen und wünschtemir verzweifelt, ich könnte dem Instinkt nachgeben, in seinen Armen dahinzuschmelzen und die Wärme und Sicherheit zu genießen, die er mir gab. Aber das war nicht länger möglich, sosehr ich mich auch dafür hasste.
»Sie hatte Angst.«
Ich schaute auf. Caleb hielt den Rand meines Bootes mit beiden Händen umklammert, so dass die Bordwände aneinander scheuerten. »Justine, meine ich«, fuhr er fort und hob die Stimme, um über den Regen hinweg gehört zu werden. »Deshalb hat sie sich nicht in Dartmouth beworben. Oder an einer anderen Uni. Sie hatte zu viel Angst.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Bevor ich dir den Rest erzähle«, sagte Caleb, »sollst du wissen, dass sie dich geliebt hat. Sie hat dich mehr geliebt als sonst etwas auf der Welt und hätte alles für dich getan. Dazu gehörte auch, sich furchtlos zu benehmen, damit du dich weiterhin auf sie stützen konntest. Justine wollte nicht, dass ich dir davon erzähle, aber jetzt solltest du es wissen, finde ich. Du hast die Wahrheit verdient. Das kann dir helfen, alles zu verstehen.«
Nun würde ich also endlich die Dinge erfahren, für die ich zurück nach Winter Harbor gekommen war, aber ich war nicht sicher, wie ich mich bei dem Gedanken fühlen sollte. »Wovor hatte sie denn Angst?«, fragte ich schließlich.
Caleb schaute Simon an, der ihm zunickte. »An dem Tag, als du deinen Schwimmunfall hattest … weißt du noch, warum du ins Meer gegangen bist?«
»Justine hat mich herausgefordert.« Genau wie mein Körper vorher ein Eigenleben entwickelt hatte, schienen jetzt die Worte aus meinem Mund zu kommen, bevor ich mir über sie Gedanken machen konnte.
»Justine hat dich herausgefordert«, wiederholte er, als wolle er so erreichen, dass ich wirklich darüber nachdachte.
»Aber der Unfall war meine eigene Schuld«, sagte ich schnell mit klopfendem Herzen. »Sie hatte nur einen Scherz gemacht, wollte mich damit aufziehen. Sie war nicht auf die Idee gekommen, dass ich wirklich ins Meer laufen würde.«
»Vielleicht hat sie es als Scherz gesagt, aber ein Teil von ihr meinte es ernst.«
Ich versuchte, mich aufzusetzen, doch Simons Arme hielten mich zurück. »Du weißt ja nicht, was du redest. Justine hat mich immer beschützt und sich um mich gesorgt. Nie hätte sie mich absichtlich in Gefahr gebracht.«
»Vanessa«, entgegnete Caleb sanft, »was ich dir jetzt sage, hat sie mir selbst erzählt.«
Sein Blick ruhte auf mir, und ich erinnerte mich, dass Justine ihn geliebt hatte. In den Monaten – vielleicht sogar Jahren – vor ihrem Tod hatte sie ihm mehr vertraut als irgendjemandem sonst. »Okay, sprich weiter.«
Caleb senkte den Blick und holte tief Atem. »Justine hat dich geliebt, aber gleichzeitig war sie sehr, sehr eifersüchtig auf dich.«
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu protestieren. Er war
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