Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
Vom Netzwerk:
sehen … gar nichts«, hakte ich nach.
    »Stimmt.«
    »Okay … woher wusste sie dann, wer ich bin?«
    Paige schaute sich um, ob wir allein waren, dann zog sie mich in eine einsame Ecke hinter der Bar. »Grandma hatte vor zwei Jahren einen sehr schlimmen Unfall«, flüsterte sie. »Seitdem ist sie nicht mehr ganz dieselbe.«
    »Was denn für ein Unfall?«, fragte ich.
    »Supergute Nachrichten«, unterbrach uns eine männliche Stimme, bevor Paige mir antworten konnte.
    Vor dem Bartresen stand Garrett und hielt zwei Eintrittskarten in die Höhe.
    »Dave Matthews. Live-Konzert. Heute Abend in Portland.«
    »Ich dachte, das sei wahnsinnig teuer und schon seit Monaten ausverkauft?«, erwiderte ich, denn mich hatte er offenbar angesprochen.
    »Na ja, ich habe ein paar Beziehungen spielen lassen … und mein Schulgeld per Internet in Aktien gesteckt.« Er war schon halb wieder auf dem Weg nach draußen. »Ich weiß, dass du hier viel zu tun hast, also sag nicht gleich nein. Denk erst in Ruhe darüber nach.«
    »Oooh, da hat jemand die Chance auf einen Urlaubsflirt«, neckte mich Paige, als er verschwunden war. »Er ist ein netter Kerl. Du solltest ja sagen.«
    Der Gedanke, mit einem Jungen auszugehen und Spaß zu haben, kam mir zu seltsam vor, um ihn auch nur näher in Betracht zu ziehen. »Du wolltest mir gerade was erzählen? Über deine Großmutter?«
    »Stimmt.« Paige fuhr mit dem Abtrocknen fort. »Sie ist baden gegangen. Bei einem Gewitter.«
    »Autsch.«
    »Ja, genau.« Paige schüttelte den Kopf. »Vor dem Unfall hat Grandma fast mehr Zeit im Wasser verbracht als an Land. Ganz egal, bei welcher Jahreszeit oder wie kalt das Meer war – solange sich keine Eisdecke darauf befand, ging sie schwimmen. So ist sie überhaupt hierher nach Maine gekommen. Sie ist in Kanada aufgewachsen und mit ein paar Freunden im Winterurlaub die Küste runtergefahren. Als sie gesehen hat, dass hier das Wasser nicht zugefroren war wie überall sonst so weit nördlich, war sie dermaßen begeistert, dass sie gleich geblieben ist.«
    »Das nenne ich sportliche Hingabe.«
    »Oder auch eine krankhafte Sucht.« Sie schaute mich an. »Als Kind hast du doch bestimmt die Sekunden zwischen Blitz und Donner gezählt, weißt du noch? Je mehr Zeit dazwischenliegt, desto weiter ist das Unwetter entfernt.«
    Ich nickte, ohne zu erwähnen, dass ich genau das erst vor ein paar Tagen getan hatte.
    »Na ja, als Grandma sich damals in den Kopf gesetzt hatte, vom Steilufer hinter unserem Haus ins Meer zu springen, kamen Blitz und Donner gleichzeitig. Der Sturm war genau über uns. Hinterher hat sie gesagt, sie habe einfach keine Wahl gehabt, was natürlich überhaupt nichts erklärt. Und seitdem hat sie nicht mehr darüber gesprochen.« Paigeschaute auf, als an einem Tisch am Ende des Restaurants vier Männer in begeistertes Gelächter ausbrachen. Zara hatte sich nur mit dem Versprechen eines freien Wochenendes dazu bewegen lassen, den Minirock gegen ihre Kellnerinnenkluft einzutauschen. Als sie endlich nachgab, saß ich schon im Wagen und wartete. Ich hatte höflich Bettys Hand geschüttelt und ihr ein Kompliment über ihre Stickereien gemacht, und dann war ich gerannt wie der Teufel. Die beiden Schwestern waren zehn Minuten später aufgetaucht und mit Zaras knallrotem Mini-Cooper gefahren, weil Paige sichergehen wollte, dass Zara keinen ungeplanten Abstecher machte. Jetzt lief in Bettys Fischerhaus wieder alles wie gewohnt.
    »Durch den Unfall hat sich Grandma verändert«, erzählte Paige weiter. »Zwar hat sie ihr Augenlicht verloren, aber dafür ist etwas mit ihren übrigen Sinnen passiert. Als sie im Wasser war, dachte sie zuerst, sie müsse ertrinken, weil sie ja nichts mehr sah. Aber dafür konnte sie den Regen hören, die Wellen am Ufer, das Krabbeln der Strandkrabben, das Singen der Wale. Im Krankenhaus konnte sie zwar nicht sehen, wie schockiert der Arzt über ihren Anblick war, aber später konnte sie ihn sagen hören, dass sie überleben würde … und sie hörte auch den Patienten an der Atemmaschine im Nachbarraum und den im Zimmer unter ihr, dessen Herz gerade stehenblieb.«
    »Wow.«
    »Ja, ich weiß. Wir dachten, sie würde aufhören, so etwas Verrücktes zu behaupten, wenn sie erst wieder zu Hause ist und das Trauma hinter sich gelassen hatte. Aber sie bestand weiter darauf, dass sie hören konnte, wie die Fische im Meer blubberten, wie die Rosenblüten aufgingen und der Postbote aus Meilen Entfernung angefahren kam. Dann begann sie

Weitere Kostenlose Bücher