Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
zusammen sein konnten, aber ich bezweifelte, dass das ihre freie Entscheidung war. Einige Jahre später, an einem Abend im August, als ich sie so sehr vermisste, dass ich die Sehnsucht nicht länger ertrug, ging ich deshalb zu ihrem Restaurant. Dort fand ich sie nicht, und aus einer Art Laune heraus kehrte ich zu dem Ort zurück, wo ich Betty zum ersten Mal bewundert hatte. Sie war im Meer und schwamm. Diesmal entdeckte sie mich, stieg aus dem Wasser und kam ohne ein Wort auf mich zu.«
Ich war froh, als das Licht flackernd verlosch und nicht wieder anging. Meine Wangen brannten vor Verlegenheit, während Oliver sein romantisches Rendezvous an der Felsküste schilderte und ich mir gleichzeitig vorstellte, wie sich Simons Lippen gestern Nacht auf meine gepresst hatten.
»Neun Monate später wurde Raina geboren.«
Ich riss die Augen auf. Natürlich hatte ich gewusst, dass sie Bettys Tochter war und einen Vater haben musste … aber ich konnte mir diese eigenartige Person nur schwer als Ergebnis einer realen, leidenschaftlichen, verbotenen Liebesaffäre vorstellen.
»Nach dieser Nacht hörte sie auf, mit mir zu reden«, sagte Oliver traurig. »Ich ging noch immer in ihr Restaurant. Ich ließ sie wissen, dass ich unserer Tochter genauso viel Glück, Licht und Liebe schenken wollte, wie Betty mir gegeben hatte. Aber sie hörte mir nicht zu. Es war, als würde sie mich kaum noch wahrnehmen.«
»Und das war alles?«, fragte Caleb. »Sie hat Ihnen keine weitere Chance gegeben?«
»Nein, zu meinem Bedauern nicht. Ich habe ihr geschrieben, sie angerufen, ihr Blumen überbringen lassen. Ich ging ins Restaurant, nur um in ihrer Nähe zu sein. Zu jeder Gelegenheit schickte ich ihr Geschenke: an Geburtstagen, an Festtagen oder wenn ich einfach nur so intensiv an sie denken musste, dass diese Gefühle ein Ventil brauchten. Das Gleiche tat ich für Raina .bis die Geschenke und Briefe ungeöffnet zurückkamen.« Er schwieg einen Moment. »Jahre später, nach Bettys Unfall, versuchte ich, sie zu Hause zu besuchen. Aber Raina ließ mich nicht durch die Tür. Sie behauptete, das wäre zu viel Aufregung für Betty. Doch ins Restaurant gehe ich noch immer, nur um mich ihr so nahe wie möglich zu fühlen.«
»Sagen Sie«, meldete ich mich zu Wort, »der Ort, an dem sie Betty zum ersten Mal begegnet sind und wo sie sich Jahre später mit ihr getroffen haben … wo war das genau?«
Er runzelte die Stirn und griff in den Lederranzen zu seinen Füßen. Daraus zog er einen Zeichenblock hervor und hielt ihn mir entgegen. »Zwar bin ich kein besonders guter Künstler, aber Malen ist gut für den Seelenfrieden.«
Ich nahm den Block und reichte ihn Simon. Bevor er ihn aufschlug, wusste ich schon, was darauf zu sehen sein würde.
»Das Meer bei den Chione Cliffs war schon immer perfekt zum Schwimmen«, sagte Oliver. »Mir gefiel der Platz, weil er so versteckt lag, und Betty gefiel er, weil in keiner anderenBucht rund um Winter Harbor das Wasser so tief ist. Sie sagte, wenn sie dort von den Klippen spränge, könnte sie wohl ein Dutzend Minuten tauchen, ohne den Sandboden zu erreichen.«
Mein überraschtes Keuchen wurde vom Knistern eines verrutschenden Holzscheits im Feuer übertönt, so dass mich glücklicherweise niemand hörte.
»Sie konnte so lange unter Wasser bleiben?«, fragte Caleb. »Wie ist das möglich?«
»Zuerst dachte ich, sie hätte sich diese Fähigkeit vielleicht durch jahrelange Übung angeeignet – oder dass es sich nur um ein weiteres jener ungewöhnlichen Talente handelte, mit denen sie gesegnet war. Aber als sie nach unserer gemeinsamen Nacht so abrupt aufhörte, mit mir zu reden, begann ich, Informationen zu sammeln. Ich schrieb mir die wenigen Dinge auf, die sie mir über ihr Privatleben verraten hatte, darunter auch die Fähigkeit, minutenlang ohne Sauerstoff zu tauchen. Auf diese Weise wollte ich ihr helfen und herausfinden, weshalb sie sich so sehr fürchtete, um ihr meine Unterstützung anbieten zu können. Vielleicht, so hoffte ich, würde es schon ausreichen, ihre Angst zu besiegen, damit wir zwei zusammen sein konnten.« Er beugte sich vor und hob eine Stofftasche voller Bücher auf seinen Schoß. »Zwar habe ich das Rätsel nicht rechtzeitig lösen können, um Betty und mich dadurch zu retten … aber möglicherweise retten wir nun Winter Harbor.«
Ich musterte die Titelseiten der Bücher, die er eins nach dem anderen auf dem Boden ausbreitete. »Griechische Mythologie? Unbekannte Seemannslegenden?
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