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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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hatte.«
    »Ja, oben im Norden kann es sogar im Juli noch den letzten Schnee geben.«
    »Genau.« Ich sah zu, wie sie einen Jeansrock und türkisfarbene Leggings hochhielt. »Die Fotos davon sind jedenfalls total niedlich. Paige trägt ein buntes Sommerkleidchen, ist in eine Wolldecke aus dem Krankenhaus gewickelt, und um sie herum rieseln Schneeflocken.«
    »Ja, das klingt wirklich süß.«
    Bisher lief alles glatt. Ich hatte nie ein Foto von Paige nach der Entbindung gesehen und wusste nicht einmal, ob sie welche besaß. Aber Mom glaubte mir, und nur darauf kam es an.
    »Weißt du, ich habe völlig vergessen, was ich auf dem Weg vom Krankenhaus anhatte.«
    Moms Hand erstarrte.
    »Bestimmt hast du mir schon oft davon erzählt, aber es fällt mir einfach nicht ein.« Ich machte einen Schritt auf den Karton zu. »Ist die Kleidung auch hier drin?«
    Sie öffnete den Mund, aber nichts kam heraus. »Ich habe sie verschenkt«, behauptete sie ein paar Sekunden später. »An eine Mitarbeiterin aus meinem Büro. Ihr Kind ist ein paar Monate nach dir auf die Welt gekommen, und wir haben eine Babyparty für sie gegeben. Sie hat darauf bestanden, nur Secondhand-Kleidung anzunehmen.«
    Mom war gut, das musste man ihr lassen. Noch vor einem Jahr hätte ich ihr die Story abgenommen.
    »Wie sah es aus?«, hakte ich nach.
    »Was?«, fragte sie, als sei sie schon wieder mit etwas anderem beschäftigt.
    »Mein Babyoutfit am ersten Tag hier zu Hause.«
    Sie ließ das Kleidungsstück, das sie gerade in der Hand hielt, zurück in den Karton fallen und wandte sich mir zu. Ihr Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, der Mund eine gerade Linie, die Stirn glatt. Ich dachte schon, sie würde vielleicht mit dem Versteckspiel aufhören, und bereitete mich innerlich auf die Wahrheit vor – doch dann lächelte sie.
    »Ein Kleidchen von Ralph Lauren. Mit rosafarbenen Karos.« Sie hielt mir ihre Hand entgegen. »Die Krankenschwestern versicherten, du seist das entzückendste Baby, das sie je gesehen hätten.«
    Ich legte meine Hand in ihre, und sie drückte mir einen Kuss darauf. Dann wandte sie sich wieder dem Behälter mit Weihnachtsschmuck zu.
    »Kannst du mir ein paar Müllbeutel von oben holen? Wenn ich hier schon zugange bin, kann ich auch gleich ein bisschen aufräumen.« Sie öffnete einen neuen Karton und zog das Ende einer Glitzergirlande heraus.
    Poliertes Silber … magisches Silber … weihnachtliches Lametta-Silber …
    Diese Worte hatte die Kellnerin im Bad-Moose-Café gebraucht, um Zaras Augen zu beschreiben, als Simon und ich auf der Suche nach Caleb gewesen waren. Die Erinnerung reichte, um mich in Rekordtempo aus dem Keller nach oben flüchten zu lassen.
    Im Wohnzimmer rannte ich im Zickzackparcours um Kartons und gefüllte Plastiktüten herum. Mein Mund und meine Kehle waren so wund und trocken, als hätte ich eine Flasche voll Sand in mich hineingeschüttet, aber statt mich in der Küche am Wasserhahn zu erfrischen, rannte ich in die entgegengesetzte Richtung.
    Schnurstracks zu Dads Büro.
    Es war drei Uhr, und er würde frühestens in zwei Stunden von seinen Nachmittagsvorlesungen zurück sein.
    Als ich das Büro erreicht hatte, riss ich die Tür auf und stürmte hinein – oder zumindest hatte ich das geplant. Doch mein Körper wurde mit jeder Sekunde schwächer, als würde ich Energie aus einem fast leeren Akku ziehen. Schon der kurze Weg durchs Zimmer brachte meine Beine zum Zittern. Mühsam stolperte ich vorwärts und machte gar nicht erst den Versuch, den ringförmigen Wall aus Klausuren zu übersteigen. Stattdessen warf ich mich mit letzter Kraft auf den Stuhl und ließ die Beine über die Papiere schleifen.
    Ich griff nach der Maus, und der Bildschirm leuchtete auf. Beim Tippen starrte ich auf das Keyboard, damit meine zitterigen Finger nicht die falschen Tasten trafen. Am Ende drückte ich auf Enter und schaute erwartungsvoll auf den Computer.
    Ich hielt den Atem an, während die Eieruhr sich drehte. Einmal. Zweimal. Dreimal.
    Ungültiges Passwort.
    Ich tippte die dreizehn Buchstaben noch einmal ein. Als der Computer sie zurückwies, versuchte ich es wieder. Und wieder. Bis meine Finger taub wurden und die Tasten vor meinen Augen verschwammen.
    Mein Körper hatte anscheinend doch Wasser übrig, denn als ich mich erschöpft und besiegt zurücklehnte, brachte er genug davon auf, um meine Augen zu füllen, so dass mir die Tränen über die Wangen liefen.

K APITEL 9
    D ie Informationen in Rainas Scrapbook waren falsch

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