Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
den Beschluss gefasst, mir eine Erholungspause zu gönnen und nicht darüber nachzudenken, wie ich Simon die Wahrheit sagen sollte. Schließlich gab es einen Geburtstag zu feiern, und ich wollte niemandem den Tag verderben, weder Simon noch Caleb, noch den übrigen Gästen.
Im Übrigen war ich genau wie Paige nicht gerade begeistert davon, mich in der Nähe des Hafens mit seiner schmelzenden Eisdecke aufzuhalten. Zwar stimmte es durchaus, dass weiter draußen noch alles gefroren war, aber beruhigend fand ich diese Tatsache nicht. Bei dem ganzen Wirrwarr in meinem Kopf, inklusive der neuen Enthüllungen über mein erstes Lebensjahr und des Zwangs, mich durch ständiges Trinken vorm Austrocknen zu bewahren, damit ich nicht im Beisein der halben Stadtbevölkerung zusammenklappte, war es kein Wunder, dass ich meinem Herzen das Kommando überließ.
Als Simon mir den Arm um die Schultern legte, schlang ich meinen um seine Taille.
»Du fühlst dich ziemlich warm an«, sagte er und führte mich in Richtung der Party. »Soll ich dir die Jacke abnehmen?«
»Mir geht es prima«, versicherte ich. »Danke für das Angebot.«
Mich heute Morgen für die Party anzuziehen war eine Herausforderung gewesen. In letzter Zeit trug ich entweder meine Schuluniform und eine unförmige Sweatshirtjacke mit Kapuze oder Jeans und eine unförmige Sweatshirtjacke mit Kapuze. Aber für Simon hatte ich mich hübsch machen wollen. Leider hatte ich kaum gewusst, wie ich das anstellen sollte, ohne die Aufmerksamkeit jedes anderen männlichen Wesens zu erregen, das zufällig in meine Richtung schaute. Am Ende hatte ich mich für Jeans, ein hellbraunes Shirt mit V-Ausschnitt und eine braune Cordjacke entschieden. In dieser Kleidung konnte ich mich zwar nicht verstecken, aber die neutralen Farben würden hoffentlich dafür sorgen, dass ich in der Menschenmenge verschwand.
Das Outfit von Paige hätte unterschiedlicher nicht sein können. Sie hatte die Gelegenheit ergriffen, sich aufzustylen, und trug einen flammend orangefarbenen Minirock, eine coole Jeansjacke und Cowboystiefel. Dazwischen blitzten ihre nackten Beine und ihr Nacken auf, denn sie hatte das Haar zu einem Pferdeschwanz hochgebunden.
Riley hatte recht, sie sah phantastisch aus, während sie so vor uns herspazierte. Eigentlich hätte sie jedem Jungen den Kopf verdrehen müssen.
Doch das geschah nicht. Ein paar schauten in ihre Richtung und lächelten, aber dann wanderten ihre Blicke unweigerlich weiter – zu mir.
»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte Simon mich, als ihm auffiel, was mir auffiel. »Sie haben gerade erst mit dem Trinken angefangen, aber gib ihnen noch zehn Minuten, dann bemerken sie nur noch sich selbst, und wir sind praktisch unsichtbar.«
Gestern am Telefon hatte Simon gesagt, falls ich mich unwohl fühlte, könnten wir uns jederzeit verabschieden. Wir könnten eine Auszeit von der Party nehmen und zum Beispiel eine Weile mit dem Auto herumfahren. Simon dachte, dass manche Leute vielleicht seltsam reagieren würden, wenn sie mich außerhalb der Ferienzeit hier sahen, noch dazu als seine feste Freundin. Darüber machte ich mir weniger Gedanken, schließlich hatten wir im Vierergespann mit Justine und Caleb so viel Zeit zusammen verbracht, dass man uns bestimmt schon lange für ein Paar gehalten hatte. Diese Ansicht behielt ich allerdings für mich. Simon sollte ruhig denken, dass die Leute mich aus diesem Grund anstarrten.
»Da ist sie ja endlich!«, rief eine vertraute Stimme, als wir uns dem Grill näherten.
»Hallo, Mrs Carmichael«, grüßte ich lächelnd.
Sie hielt die Arme auf, und ich ließ Simon lange genug los, um einmal kräftig von ihr gedrückt zu werden.
»Wie geht’s dir, meine Liebe?«, murmelte sie in mein Haar. »Und deinen Eltern?«
»Ganz okay. Wir lassen uns nicht unterkriegen.«
»Grüß sie ganz herzlich von mir. Und richte ihnen aus, dass wir uns gut um ihr Haus kümmern, ja?«
Als ich antworten wollte, sah ich Caleb mit einer Platte Hotdogs auf uns zusteuern.
»Mum, du willst doch nicht jetzt schon dein Geburtstagsversprechen brechen, oder?«, rief er.
Mrs Carmichael drückte mich ein letztes Mal und ließ mich los. »Natürlich nicht«, erwiderte sie mit einem Schniefen.
Caleb setzte die Platte ab und griff stattdessen nach einem Pfannenheber, mit dem er anklagend auf die feuchten Augen seiner Mutter zeigte. »Seit Tagen bricht sie ständig in Tränen aus, weil ›ihr Baby jetzt erwachsen wird‹, wie sie es ausdrückt. Ich habe ihr
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