Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
gesagt, sie braucht mir kein Auto zu schenken, wenn sie dafür bei meiner Party die hysterischen Weinkrämpfe unterdrückt.«
»Don’t rain on my parade«, trällerte sein Vater zustimmend vom Grill.
»Ihr habt ihm ein Auto gekauft?«, fragte Simon.
Mrs Carmichael wischte sich über die Augen und lachte. »Nie im Leben. Da kann er eine Million Kerzen ausblasen, der Geburtstagswunsch geht bestimmt nicht in Erfüllung.«
»Träumen darf man ja wohl«, sagte Caleb und wandte sich mir zu. »Stimmt’s?«
Diesmal breitete ich als Erste die Arme aus und hielt ihn einen langen Moment fest, als könne er wie durch ein Wunder Justines Umarmung in meiner fühlen. Zuerst versteifte er sich, und ich fürchtete schon, es übertrieben zu haben. Gerade als ich loslassen wollte, entspannte sich sein Körper, und er erwiderte die Umarmung.
»Alles Gute zum Geburtstag«, flüsterte ich.
»Danke, dass du gekommen bist.«
Obwohl ich Winter Harbor erst ein paar Wochen zuvor verlassen hatte, fühlte es sich an, als hätte ich Caleb eine halbe Ewigkeit nicht gesehen. Seit der Nacht, als der Hafen zufror, hatte er sich kaum blicken lassen. Wir hatten nur ab und zu ein paar Worte gewechselt, wenn ich ihm zufällig auf seinem Hin- oder Rückweg von der Arbeit begegnet war. Ich war davon ausgegangen, dass er diesen totalen Rückzug brauchte, um über alles hinwegzukommen. Deshalb hatte ich mich nicht aufgedrängt … Und nun klang er tatsächlich schon wieder wie früher. Darüber war ich genauso glücklich, wie Justine es gewesen wäre.
»Achtung, Flugobjekt!«
Wir sprangen gerade noch rechtzeitig auseinander, als ein roter Schwimmreifen zwischen unseren Füßen landete.
»Ich glaube, meine Kumpel werden ungeduldig.« Caleb hob den Reifen auf und nickte in Richtung Wasser, wo eine winkende und rufende Gruppe auf ihn wartete.
»Viel Spaß«, sagte ich. »Wir können uns ja später unterhalten.«
Als Caleb zu seinen Freunden verschwunden war und Mrs Carmichael sich beim Grill zu ihrem Mann gesellt hatte, griff Simon nach meiner Hand und zog mich mit. Wir kamen bei Paige und Riley vorbei, die damit beschäftigt waren, die nächste Gruppe für den Wettbewerb im Plankenlaufen zu begeistern, und verabschiedeten uns zu einem kurzen Spaziergang. Dann schlenderten wir eine Weile durch die Marina. Die Musik und die Geräusche der Party verklangen, als wir am Ufer entlang bis zum Ende des Hafengeländes gingen, wo aufgebockte Boote darauf warteten, winterfest gemacht zu werden.
»Alles sieht so anders aus«, stellte ich fest.
»Normalerweise bist du um diese Jahreszeit nicht hier«, sagte Simon, »wenn die Blätter fallen und der Yachthafen fast leer ist.«
»Nein, daran liegt es nicht.« Ich blieb am Kai stehen und schaute auf die Glitzerlichter der Party. »Es ist das ganze Eis. An manchen Stellen aufgetaut, an anderen noch gefroren – als wäre die Stadt in einen Winterschlaf versenkt worden und würde darauf warten, befreit zu werden.«
Er stand hinter mir und schlang mir die Arme um die Taille. »Das wird bald passieren. Und vielleicht fühlen wir uns dann auch befreit.«
Ich lehnte mich an Simon und ließ den Blick über die Wasseroberfläche gleiten. Mir war selbst nicht klar, was ich dort zu sehen erwartete. Lichtstrahlen, die in den Himmel schossen? Überirdisch schöne Frauen in fließenden weißen Gewändern? Calebs Freunde, die mit blinden Augen und gefrorenem Lächeln auf sie zugingen?
Eines jedenfalls hatte ich ganz bestimmt nicht erwartet: unser Ruderboot, das hier im Hafen lag, statt an unserem Ferienhaus vertäut zu sein.
»Simon.« Ich trat einen Schritt nach vorn, so dass ich aus seinen Armen glitt. »Ist das …? Hat Caleb …?«
Da ich nur verwirrt stottern konnte, dauerte es eine Weile, bis Simon verstand, wovon ich redete. »Meinst du das rote Ruderboot?«, fragte er schließlich. »Du musst dich irren. Caleb hätte es nicht für die Party ausgeliehen, ohne zu fragen.«
»Aber am Heck ist ein grüner Fleck, wo die Übermalung abgeblättert ist. Und der Vordersteven ist abgerundet, so wie …«
»… bei allen Holzbooten, die jahrelang benutzt wurden?«
Ich starrte ihn an.
Sein Gesicht wurde weicher. »Tut mir leid. Du hast recht, es sieht eurem Boot ähnlich. Aber immerhin stehen wir dreißig Meter weit weg, und es wird schon dunkel. Unter diesen Bedingungen wäre es sogar schwierig, ein Ruderboot von einem Kanu zu unterscheiden.«
Ich wandte mich ab und ging bis ans Ende der Mole, um einen besseren
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