Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
habe mir einfach nur gedacht … Ich habe gehofft, dass sich irgendwann eine passende Gelegenheit ergibt. Wenn sich alle einig sind, dass du es verdienst, die Wahrheit zu kennen.«
Ich schaute zur Seite und versuchte mir vorzustellen, wie ich mich verhalten würde, wenn Simon etwas wollte, womit ich nicht einverstanden war. Würde ich mich darauf einlassen, obwohl ich es für falsch hielt? Weil meine Liebe für ihn größer war als die Angst vor möglichen Konsequenzen?
Ja, vermutlich.
»Also, wer ist sie?«, hakte ich nach einer Weile nach.
»Eine gute Freundin. Sie kannte Charlotte.«
Unsere Blicke trafen sich. Zum ersten Mal hatte ich ihn diesen Namen aussprechen hören. Dad zuckte nicht einmal mit der Wimper.
»Trefft ihr euch oft?«, fragte ich.
»Nein. Heute war das erste Mal seit vielen Jahren.«
»Du hast doch gerade gesagt, ihr seid gute Freunde.«
»Wir halten Kontakt«, erklärte er, »aber wir treffen uns nicht.«
»Ist sie die Person, der du jeden Tag mailst?«
»Genau.« Falls er wütend war, dass ich sein Postfach ausspioniert hatte, ließ er es sich nicht anmerken.
»Und du erzählst ihr von mir?«
»Ja, das stimmt. Charlotte war ihr wichtig, deshalb halte ich sie aus Höflichkeit auf dem Laufenden.«
»Aus Höflichkeit schickt man einmal im Jahr eine Weihnachtskarte.«
»Es hat nichts zu bedeuten«, behauptete er.
Anscheinend doch, sonst würde er es ja nicht tun. »Weiß Mom Bescheid?«
»Nein. Sie hätte kein Verständnis.«
»Klingt wie ein guter Grund, damit aufzuhören.«
Er seufzte und schloss die Augen. »Es gab eine Abmachung.«
Mir stockte der Atem. Endlich würde er mir etwas erzählen, was ich nicht schon wusste – doch plötzlich war ich nicht mehr sicher, ob ich es hören wollte.
Er schaute mich an und griff nach meiner Hand, entschied sich jedoch im letzten Moment anders und ließ den Arm stattdessen auf der Lehne seines Stuhls ruhen.
»Bevor ich fortfahre, sollst du wissen, dass du immer geliebt wurdest, Vanessa. Vom Tag deiner Geburt an haben wir dich alle angehimmelt. Und als Charlotte und ich unsere Entscheidung trafen, hatten wir nur dein Bestes im Sinn.«
»Okay …«
Sein Mund öffnete sich, schloss sich, öffnete sich wieder. Nach all den Jahren des Schweigens fehlten ihm die Worte. »Charlotte hatte mir nicht gesagt, dass sie schwanger war. Ich habe es zufällig herausgefunden, als ich an einem Herbstwochenende in Winter Harbor war, um in Ruhe an meinem Fachbuch zu arbeiten, und ihr im Supermarkt über den Weg lief.«
Sein Fachbuch. Damals war es vermutlich noch mehr als eine Ausrede gewesen.
»Zuerst hat sie versucht, vor mir wegzulaufen. Als ich sie auf dem Parkplatz einholte, behauptete sie, ich sei nicht der Vater. Aber ihre Augen sagten etwas anderes.« Er verstummte und starrte ins Leere. »Ihre Augen waren … unbeschreiblich.«
Ich verstand nur allzu gut, was er damit meinte. »Was ist als Nächstes passiert?«, drängte ich, bevor er in Nostalgie versinken konnte.
»Sie hat versucht, mich abzuwimmeln, doch das ist ihr nicht gelungen. Ich habe ihr klargemacht, dass ich zwar nicht stolz auf unsere … Situation war und kaum ertragen konnte, welchen Schmerz ich meiner Frau bereitete, dass ich aber auch nicht bereit war, ein Kind im Stich zu lassen, das durch mich zur Welt kommen würde. Ich wollte ihr helfen, wollte an deinem Leben teilhaben, selbst wenn sich unser Kontakt auf einen jährlichen Kurzbericht und finanzielle Unterstützung beschränkte.«
Mir stellten sich die Nackenhaare auf. Zwar hatte er mich maßlos enttäuscht, trotzdem wollte ich mir ein Leben ohne meinen Big Papa gar nicht vorstellen.
»Wenn es nach mir gegangen wäre«, fuhr er leise fort, als er meine Reaktion sah, »hätte ich so viel Zeit wie möglich mit dir verbracht. Bestimmt hätte es eine Möglichkeit gegeben, das zu arrangieren. Aber Charlotte wollte das nicht.«
»Was wollte sie denn?«
»Zu Anfang eigentlich gar nichts. Während der Schwangerschaft schickte sie mir ab und zu eine Nachricht an die Uni, um mich wissen zu lassen, wie es ihr ging. Sie gab mir Bescheid, als du geboren wurdest. Ich bin sofort nach Winter Harbor gefahren und habe dich zum ersten Mal gesehen.« Er lächelte. »Du warst das hübscheste Baby auf der ganzen Welt.«
»Und Mom hatte immer noch keine Ahnung?«, fragte ich schnell, weil ich nichts Näheres über irgendwelche intimen Momente zwischen Dad und Charlotte hören wollte.
Er ließ den Kopf hängen, und sein Lächeln
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