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Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres

Titel: Oceano Mare - Das Märchen vom Wesen des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro Baricco
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während seines Aufenthalts in Saint Jacques aufrichtige freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Wie der Abt selbst mir sympathischerweise gestand, hatte er den Maler gebeten, von demselben porträtiert zu werden, was jedoch eine ebenso freundliche wie nachdrückliche Absage zur Folge hatte. Wie es scheint, lauteten seine bei dieser Gelegenheit ausgesprochenen Worte: »Bedauerlicherweise sind Sie kein Seemann, und deshalb haben Sie kein Meer im Gesicht. Wissen Sie, es ist so weit gekommen, daß ich nur noch Meer malen kann.« 
     
    33. Ozean Meer, Öl auf Leinwand (Maße unbekannt) (verschollen) Beschreibung. Vollständig weiß. Auch in diesem Fall ist Abt Ferrands Zeugenaussage wertvoll. Er hatte die Freimütigkeit zuzugeben, daß die Leinwand, die am Tag nach der Abreise des Malers in dessen Unterkunft gefunden wurde, durch ein unerklärliches Mißverständnis als eine einfache Leinwand betrachtet wurde und nicht als ein vollendetes Werk von erheblichem Wert. Als solche wurde sie von Unbekannten fortgeräumt und gilt bis heute als unauffindbar. 
     
    34, 35, 36. (Ohne Titel), Öl auf Leinwand, 68,8 x 82 cm Museum Gallen-Martendorf, Helleborg Beschreibung. Es handelt sich um drei äußerst akkurate, fast identische Kopien des Gemäldes von Hans van Dyke, Hafen von Skalen. Das Museum Gallen-Martendorf katalogisiert sie als Werke von Hans van Dyke, was einem bedauerlichen Mißverständnis gleichkommt. Wie ich dem Kurator des genannten Museums, Prof. Broderfons, mehrfach zu verstehen gab, sind die drei Leinwände auf der Rückseite nicht nur mit der deutlich lesbaren Anmerkung »van Plasson« versehen, sondern sie weisen auch eine Besonderheit auf, die Plassons Urheberschaft augenscheinlich macht: In allen dreien hat der bei seiner Arbeit auf der Mole abgebildete Maler eine Staffelei mit einer vollständig weißen Leinwand vor sich stehen. Im Original von van Dyke weist die Leinwand eine ordentliche Bemalung auf. Professor Broderfons bestätigt zwar die Korrektheit meines Einwandes, weist ihm hingegen keine besondere Bedeutung zu. Im übrigen handelt es sich bei Professor Broderfons um einen ebenso inkompetenten Wissenschaftler wie unerträglichen Menschen. 
     
    37. Bodensee, Aquarell, 27 x 31,9 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Werk von akkurater und sehr eleganter Machart, welches den berühmten Bodensee bei Sonnenuntergang darstellt. Die Farben sind warm und abgetönt. Menschliche Gestalten kommen nicht vor. Doch das Wasser sowie die Ufer sind mit großer Poesie und Intensität dargestellt. Plasson sandte mir diese Leinwand, begleitet von einer kurzen Notiz, deren Inhalt ich hier ungekürzt wiedergebe: »Es ist die Erschöpfung, mein Freund. Eine angenehme Erschöpfung. Lehen Sie wohl.« 
     
    38. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 26 x 13,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Die mit Sorgfalt und Gründlichkeit angefertigte Zeichnung zeigt Plassons linke Hand. Er war, wie ich mich verpflichtet fühle anzumerken, Linkshänder. 
     
    39. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 26 x 13,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Plassons linke Hand. Ohne Schattierungen. 
     
    40. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 26 x 13,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Plassons linke Hand. Wenige, nur leicht angedeutete Striche. 
     
    41. Ozean Meer, Bleistift auf Papier, 26 x 13,4 cm Samml. Bartleboom Beschreibung. Plassons linke Hand. Drei Linien und eine leichte Schattierung. 
    Anmerkung. Diese Zeichnung wurde mir zusammen mit den drei zuvor genannten von Doktor Monnier geschenkt, dem Arzt, der sich während des kurzen und schmerzhaften Verlaufs seiner tödlichen Krankheit (Lungenentzündung) um ihn kümmerte. Nach dessen Aussage, und ich habe keinen Grund, sie zu bezweifeln, handelt es sich hierbei um die letzten vier Werke, denen Plasson sich widmete, als er bereits bettlägerig war und von Tag zu Tag schwächer wurde. Der gleichen Aussage zufolge starb Plasson heiter, in stiller Einsamkeit und mit friedvoller Seele. Wenige Minuten vor seinem Ableben sprach er den folgenden Satz: »Es ist keine Frage der Farben, es ist eine Frage der Musik, verstehen Sie? Ich habe lange dazu gebraucht, doch jetzt (stopp).«
    Er war ein großmütiger Mann und gewiß mit einer enormen künstlerischen Begabung ausgestattet. Er war mein Freund. Und ich mochte ihn sehr gern.
    Nun ruht er, seinem ausdrücklichen Wunsch zufolge, auf dem Friedhof in Quartel. Das Denkmal auf seinem Grab ist aus einfachem Stein. Vollständig weiß. 

5.

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