Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
gebrochen wiedergekommen, und ich habe keine Ahnung, warum.«
»Und Klein weiß nicht, was dort war?«
»Nein, er weiß nur, daß Duda'i sich dort mit einem Rechtsanwalt getroffen hat, und mit einem Russen, einem Juden, der bei ihm lebte.«
»Gut«, seufzte Bachar, »soll ich die Papiere liegenlassen und noch einmal suchen?«
Michael nickte. »Und auch noch mal in seinem Zimmer auf dem Har ha-Zofim.«
»Aber wir haben doch das ganze Zeug da mitgenommen«, sagte Bachar verzweifelt.
»Bitte Elfandari, er soll hingehen. Ich möchte auch noch einmal mit Ruth Duda'i sprechen, bring sie doch gleich mit.«
»Falls sie jetzt zu Hause ist«, wandte Bachar ein.
»Sie wird zu Hause sein, bei dieser Hitze und mit einem kleinen Kind ist sie bestimmt nirgendwo hingegangen«, versprach Michael.
Ungefähr eine Stunde lang blätterte Michael in den Niederschriften der Kassetten, die Zila angefertigt hatte. Er prüfte die Namen der Orte, die Datumsangaben, die Gesprächspartner, komplizierte Namen von unbekannten Menschen. Erst als Zila hereinkam, merkte er, wieviel Zeit vergangen war.
»Sie ist da«, sagte Zila
»Kannst du im Sitzungsraum auf Balilati warten? Ich komme mit Frau Duda'i allein zurecht«, sagte er und gab ihr die Niederschriften. Eli Bachar führte Ruth Duda'i ins Zimmer und setzte sie förmlich auf den Stuhl, der Michael gegenüberstand. »Ich gehe wieder«, sagte er und verließ den Raum.
Um sechs Uhr abends gab es nichts mehr zu tun. Das Gespräch mit Ruth Duda'i hatte nichts Neues gebracht, Eli Bachar war noch nicht zurück vom Har ha-Zofim, Tuwja Schaj war wieder zum Detektor bestellt worden, und Michael saß in seinem Zimmer und hatte nichts zu tun. Das Telefon klingelte nicht. Der Fachmann für den Detektor kann auch mit Zila seine Ergebnisse besprechen, dachte Michael, als er zu seinem Auto hinunterging.
Die Luft war inzwischen kühler, dennoch waren seine Bewegungen langsamer als sonst. Er fuhr erst dann über die Kreuzung an der Jaffastraße, als hinter ihm gehupt wurde. Er erreichte Giv'at Ram, ohne zu wissen, wie, und parkte das Auto auf dem Platz vor dem fast leeren Campus.
Mit langsamen Schritten ging er durch das Tor, drinnen betrachtete er den gepflegten Rasen, auf dem niemand mehr herumlag, und die alten Bilder tauchten vor ihm auf: Dutzende von Studenten, die sich auf dem Rasen ausruhten, auf ihrem Weg von einem Hörsaal zum anderen, zwischen dem Aufenthalt in der Bibliothek und dem Gang zur Cafeteria, er sah die Rasenfläche bunt gesprenkelt von der Kleidung der Studenten der Geisteswissenschaften, er sah sie langsam die Wege entlangschlendern, hier trafen sich immer alle, als hätten sie alle Zeit der Welt. So war es, bis die Geisteswissenschaften auf den Har ha-Zofim umgezogen waren. Erst vor fünf Jahren, dachte Michael. Die Naturwissenschaftler hatte man damals auf dem Rasen nicht gefunden, sie waren in einem anderen Teil des Campus, in ihren Labors. Jetzt waren aus den Gebäuden Labors geworden, und auf den Wegen gingen Studenten der Naturwissenschaften mit energischen Schritten, die nur die Frage aufkommen ließen, überlegte Michael, was für ein Ziel Leute haben können, die sich in einer Welt vorwärtsbewegen, in der es kein Leben mehr gibt. Neben dem Gebäude, das früher einmal Haus Lauterman gewesen war, blieb er stehen und betrachtete das neue Schild, jetzt hieß es Haus Berman. Er betrachtete den Haufen zerbrochener Stühle in der Eingangshalle, doch er ging nicht hinein, erinnerte sich nur, daß er bei seinem vorigen Besuch festgestellt hatte, daß die Räume Büros geworden waren. Was war so schlimm an diesem Campus gewesen, daß man einen neuen Zweig auf dem Har ha-Zofim errichten und das Haus Lauterman zum Haus Berman machen mußte? Und was für eine Generation wurde dort in diesen Steinhäusern erzogen? fragte er sich wieder, schüttelte die Gedanken ab und ging schnell hinüber zur Nationalbibliothek.
Das erste, was er bemerkte, war der Geruch im Katalograum. Der gleiche Geruch von Büchern, von Holz und Menschen. Rote Karten für den allgemeinen Lesesaal und blaue für den Saal Judentum und Orient. Es gab auch Neuerungen – Computer standen auf dem runden, schwarzen Counter, und vor ihnen saßen einige ältere Frauen und beantworteten mit höflicher Geduld alle Fragen. Seine Bewegungen wurden flinker, als er vor dem Schrank mit den Karteikarten stand, die Schublade mit der Aufschrift »Ti–Tr« herauszog und die Namen einiger Gedichtbände und ihre
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