Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
Glätte des Marmors, an die Armmuskeln der Figur, die sich bemühte, nicht in den Staub zu fallen.
»Ich habe nicht gewagt, zu ihm zu gehen«, sagte Klein. »Ich stand an der Seite und betrachtete seinen Gesichtsausdruck. Es zeigte vollkommene Hingabe. Nie im Leben habe ich seine Augen so lebendig gesehen, so ergriffen, wie sie damals in der Galerie waren, als er allein war, nur mit sich, und ganz vorsichtig den Stein berührte. Ich habe damals vieles verstanden.«
»Was zum Beispiel?« fragte Michael hart, warf heimlich einen Blick auf seine Uhr, dann schaute er wieder Klein an. »Seine Beziehung zu Scha'ul, das Glück, das er in seiner Nähe empfand. Tuwja wird nicht von der Schönheit der Natur beeindruckt, von Bergen oder von einem Sonnenuntergang am Meer, seine Sehnsucht gilt der Vollkommenheit in der Kunst. Nach diesem Besuch in der Galerie, beim Mittagessen, sprach er nur darüber, über die Vollkommenheit in der Kunst. Er achtete nicht darauf, was er aß, er trank den Wein, als wäre es Wasser. Er sprach wie ein Mann, der die Erinnerung an eine geliebte Frau wachhalten will.« Klein hielt plötzlich inne, als fürchte er, sich zu weit geöffnet zu haben, und blickte Michael spöttisch und traurig an.
»Sie haben vorher die familiären Verhältnisse Tuwjas erwähnt«, sagte er zögernd. »Nur wenige Menschen können das verstehen. Vielleicht können Sie nun die bekannten Tatsachen anders einordnen, vielleicht können Sie verstehen, was Tuwjas vollkommene Selbstaufgabe gegenüber Scha'ul Tirosch bedeutet, seine Bereitschaft, ihm zu dienen. Er hätte Scha'ul alles gegeben, auch sein Leben, wenn der es verlangt hätte, und erst recht seine Frau.«
»Ich möchte Sie noch etwas fragen, in Anbetracht dessen, was Sie über Ido Duda'i erzählt haben«, sagte Michael, als habe er Kleins Worte nicht gehört.
Klein schaute ihn an und wartete.
»Hat Ido Duda'i Ihnen die Kassetten vorgespielt, auf denen er seine Gespräche mit einigen Leuten aufgenommen hat?«
»Nein«, antwortete Klein vorsichtig. »Er hat nur gesagt, daß er Gespräche aufnehmen wolle.«
»Und er hat Ihnen nie eine Kassette oder eine Kopie davon vorgespielt?« fragte Michael und blickte Klein konzentriert an.
Klein schüttelte einige Male den Kopf, dann sagte er: »Nein.«
»Wir haben die Kassetten gefunden, aber die Kassette mit dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt in North Carolina war nicht dabei.«
»Vielleicht hat er das Gespräch nicht aufgenommen?«
»Warum sollte er alles aufnehmen, nur dieses Gespräch nicht?« beharrte Michael.
Klein sah verwirrt aus. »Ich habe keine Ahnung«, meinte er. »Wollen Sie, daß ich jetzt die Nummer des Rechtsanwalts suche? In diesem Durcheinander kann das Stunden dauern.«
»Im Moment brauche ich sie nicht, aber noch heute im Lauf des Tages.« Michael zögerte, dann fügte er hinzu: »Wenn Sie die Nummer gefunden haben, rufen Sie mich doch bitte an. Wenn ich nicht da bin, können Sie die Nummer bei Zila hinterlassen.«
Du hast etwas Aufrichtiges, dachte er, trotz deiner hochgestochenen Aussprache. Warum aber habe ich trotzdem das Gefühl, als würdest auch du mir etwas verschweigen? Das waren Michaels Gedanken, während er den Motor anließ und zu Klein hinüberblickte, der am Fenster stand. Und dann fiel ihm ein, daß er in der ganzen Zeit, die er mit Klein verbracht hatte, kein einziges Mal an Maja gedacht hatte. Plötzlich fühlte er schmerzhaft seine Einsamkeit. Wieder schaute er zu dem geblümten Vorhang hinüber, der sich am Fenster bewegte, und legte die Hände auf das glühendheiße Lenkrad.
Dreizehntes Kapitel
In den Zimmern im Migrasch ha-Russim war es drückend heiß, nicht weniger heiß als auf der Straße. Michael betrat sein Zimmer und fand Eli Bachar, der in Papieren blätterte, die er aus einer Plastiktüte zog.
»Gibt's was Neues?« fragte Michael und griff nach der Saftflasche, die Eli ihm hinhielt.
Ohne Elis Antwort abzuwarten, sagte er, als er die Flasche absetzte: »Aber ich habe dir was zu erzählen.« Eli blickte ihn erwartungsvoll an.
»Du erinnerst dich doch an die Kassettenbox – und daß da noch Platz für eine weitere Kassette gewesen wäre?«
Eli nickte.
»Er hat jemanden getroffen, und dieses Gespräch hat er nicht aufgenommen, oder er hat es aufgenommen, und es gibt keine Kassette.«
»Hat Klein dir das gesagt?«
»Ja. Er wußte von dem Treffen, zu dem Duda'i extra hingefahren ist, eine Fahrt von acht Stunden hin und acht Stunden zurück. Er ist völlig
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