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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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aber das ist nur so ein Gefühl; eigentlich meine ich nicht unaufrichtig, sondern unecht. Ich konnte ihm nicht vertrauen. Ich habe gesehen, wie er Frauen schöne Augen gemacht hat, als würde er mit ihnen flirten, aber man wußte nie, ich meine, ich wußte nie, ob er es ernst meinte.«
    Der Mann auf der anderen Seite des Tisches beugte sich vor, sie sah seine langen, dunklen Wimpern, die dichten Augenbrauen. Drängend und mit Autorität in der Stimme sagte er: »Geben Sie mir ein Beispiel, beschreiben Sie eine Situation, die Sie berührt hat.«
    »Ich kann es nicht genau erklären, aber ich war manchmal allein mit ihm im Büro, und einmal, als die Heizung in seinem Zimmer getröpfelt hat und repariert werden mußte, hielt er seine Sprechstunde im Sekretariat ab. Nur ich war dort, Adina hatte irgendeine kleine Operation, deshalb war sie nicht bei der Arbeit, sonst ist sie ja immer da, und da bin ich mit ihm ins Gespräch gekommen. Sein Verhalten mir gegenüber war so, daß ich das Gefühl hatte, er halte mich für etwas wirklich Besonderes. Er, der berühmte Professor, der Dichter und alles, spricht mit mir, der kleinen Studentin, als wäre ich eine richtige Frau.« Sie hielt inne, aber der Mann wandte den Blick nicht von ihr und wartete, daß sie fortfuhr.
    »Ich hatte das Gefühl, als wäre ich im Kino, als hätte ich die Szene schon mal gesehen. Er stand am Fenster und sprach wie zu sich selbst, über sich selbst. Er sagte, in seinem Alter frage man sich, ob man überhaupt wirkliche Freunde habe, und dann sprach er über die Einsamkeit des Menschen an sich. Er hat eine Zeile von Sach zitiert: ›Es ist nicht gut für den Menschen, allein zu sein, aber dennoch ist er allein.‹ Dann hat er mich gefragt, ob ich einmal über die Bedeutung dieser Worte nachgedacht hätte, so hat es angefangen. Und dann hat er nur über wirkliche Freunde gesprochen, und ich habe gedacht, wieso erzählst du mir das, was willst du von mir? Ich hatte das Gefühl, wenn ich mich auf das Gespräch einlassen würde, könnte mir etwas – Schreckliches passieren, als würde er mich, wie soll ich es sagen, in etwas hineinziehen. Ja. Er zog mich so sehr an, daß ich fast zu ihm hingegangen wäre, um ihn zu trösten, aber irgend etwas hat mich zurückgehalten. Ich fühlte, daß er nicht wirklich mich meinte, daß ich nur zufällig da war, schließlich wußte er ja nichts über mich.« Ihre Stimme klang fast entschuldigend. »Aber was mir am meisten angst machte, war seine Anziehungskraft, als müsse ich sein unendliches Leiden lindern und könne es nicht, als müsse ich alles geben und bekäme nichts zurück, weil er nichts hatte, was er mir geben konnte. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll.«
    »Sie erklären es ganz ausgezeichnet«, sagte der Mann mit einem ernsthaften, ermutigenden Gesichtsausdruck, und Racheli wurde rot. Weil sie nicht zeigen wollte, wie wichtig ihr sein Kompliment war, fuhr sie schnell fort: »Dieser Vortrag über Einsamkeit hörte sich besonders seltsam an wegen der vielen Geschichten, die über ihn erzählt wurden.«
    »Geschichten?« fragte der Mann und drückte seine Zigarette, die einen scharfen Geruch verbreitete, in dem Blechaschenbecher auf dem Tisch aus. Zugleich notierte er etwas auf einem Blatt Papier.
    »Nun, es gab alle möglichen Geschichten«, sagte Racheli verlegen. »Gerüchte.«
    »Welche zum Beispiel?« fragte er mit einer noch weicheren Stimme.
    »Alle möglichen.« Wieder fühlte Racheli, wie sich ihre Kehle zusammenzog und wie ihre Füße in den Sandalen zu schwitzen begannen, aber der Mann ließ nicht locker. Er betrachtete sie mit einem Blick, der zu sagen schien: Du kannst mir vertrauen, ich will es wissen.
    »Geschichten über ihn und über Frauen, über andere Dichter und über alle möglichen Leute.«
    »Haben Sie wirklich geglaubt, daß er einsam ist?«
    »Ja und nein. Vor allem dachte ich, das ist wie eine Szene aus einem Roman oder einem Film. Ich mag dieses leere Gerede nicht. Und daß er am Fenster stand, als hätte er sich genau den Blickwinkel ausgesucht, in dem sein Profil besonders vorteilhaft zur Geltung kommen mußte. Aber zugleich hatte es etwas Überzeugendes, ich habe ihm auch geglaubt, und das war es, was mich so erschreckt hat. So habe ich das alles damals nicht gedacht, erst jetzt formuliere ich das Gefühl.«
    »Wer war Ihrer Meinung nach der Mensch, der ihm am nächsten stand?«
    Wieder hatte Racheli das Gefühl, als weise er ihr eine besonders wichtige Rolle zu, als ob

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