Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
du«, fragte Zila nachdenklich und berührte ihren Bauch auf eine Weise, wie es nur schwangere Frauen tun, selbst wenn ihr Bauch noch ganz flach ist, »daß es eine Frau getan haben könnte?«
Michael betrachtete sie, bevor er müde antwortete: »Keine Ahnung. Der Mensch verfügt manchmal über erstaunliche Kräfte, besonders wenn er sehr erregt ist.« Er lehnte sich zurück, streckte die Beine aus und zündete sich eine Zigarette an. Der Mord an Tirosch war nicht der einzige Fall, es gab noch andere Ermittlungen, über die er als Vorgesetzter Bescheid wissen mußte, und sein Stellvertreter, Asarja, lag nach einer komplizierten Rückenoperation noch immer im Krankenhaus. Er hätte am liebsten den Kopf auf den Tisch gelegt und sich Zilas streichelnden Händen überlassen. Beide wichen sie immer jeder Berührung aus, aber jetzt hatte sie etwas verlockend Weiches. Sie trug dasselbe Kleid wie gestern abend, und ihre Arme sahen glatt und weich aus. Michael Ochajon richtete sich auf seinem Stuhl auf und sagte: »Gib Rafi Bescheid, daß die Todeszeit ermittelt ist, zwischen vierzehn und achtzehn Uhr am Freitag. Ich nehme an, der Mord hat eher um zwei stattgefunden als um sechs, weil der Sicherheitsbeamte der Universität niemanden hinein- oder herausgelassen hat, nachdem die Tore verschlossen worden waren.«
Zila hörte auf mitzuschreiben und schaute fragend hoch. »Jeder, der während der Woche spätabends ein Universitätsgebäude betreten will oder am Wochenende freitags nach vier Uhr, muß das vorher mit dem Sicherheitsbeamten ausmachen. Ein einfacher Vorgang, aber man muß ihn absprechen. Man ruft die Nummer 883000 an und sagt Bescheid. Setzt du dich bitte mit dem Polizeichef in Verbindung? Ich würde ihn gerne heute noch sprechen. Ach ja, und sag allen Bescheid, daß morgen früh um sieben eine Teambesprechung stattfindet.«
»Und wann willst du den Fernsehfilm anschauen?« Michael schwieg, ging innerlich alles durch, was an diesem Tag noch erledigt werden mußte, dann antwortete er: »Später am Abend.« Nach einem Moment fügte er hinzu: »Und wir können schon die Tagesordnung für morgen festlegen, wenn die ganze Mannschaft da ist.«
Zila stand auf. Ihre Bewegungen waren schwerer als sonst, und als sie an der Tür stand, sagte er: »Bitte schick mir die Fakultätssekretärin herein«, und stellte das Aufnahmegerät an. Er mußte unbedingt das quälende Gefühl loswerden, das ihn seit dem Gespräch mit Racheli bedrückte.
Adina Lifkin trug ihr »gutes Kleid«, stellte Michael fest und unterdrückte ein Lächeln. Er nahm an, daß sie dieses Kleid zu wichtigen Anlässen trug, auch wenn sie mit Behörden zu tun hatte, doch offenbar geschah das nicht so oft, dachte er, denn das Kleid, aus schwerem, dunklem Stoff, war ihr inzwischen mindestens eine Nummer zu klein geworden, so daß es um ihren Bauch und die schweren Arme spannte. Ihr Gesicht war rot, und sie streckte den Kopf. Schwer atmend setzte sie sich auf den Stuhl, auf den er deutete. Ihre Hände umklammerten den Griff einer schwarzen Lacktasche, die sie auf den Knien hielt, und ihr Blick heftete sich voller Abscheu auf die Zigarette, die er sich gerade anzünden wollte. Er legte sie unangezündet zurück auf den Tisch.
Als er sie fragte, was sie am Freitag alles getan hatte, schaute sie ihn mit runden, hervorquellenden Augen an. Sie sah aus wie eine Schülerin, die vor einer mündlichen Prüfung stand, auf die sie sich ein ganzes Jahr lang vorbereitet hat. »Sie meinen, nach der Fakultätssitzung?«
Michael Ochajon antwortete, er meine alles, was sie an jenem Tag getan habe.
»Aha«, sagte Adina Lifkin, als sei ihr die Frage nun klar, und nickte heftig mit dem Kopf, wobei sich keines ihrer Löckchen bewegte. »Wenn ich mich recht erinnere, und da kann ich nicht ganz sicher sein, es gibt immer Sachen, an die wir uns zu erinnern glauben, es aber in Wirklichkeit nicht mehr ganz genau wissen, jedenfalls, wenn ich mich richtig erinnere, war ich schon um sieben Uhr morgens im Büro, weil ich viel zu tun hatte, schließlich ist das Semester bald zu Ende, und die Studenten sind vor den Prüfungen immer so angespannt und haben es eilig, ihre Arbeiten abzuliefern, ich weiß wirklich nicht, warum sie immer bis zur letzten Minute warten, aber das ist eine andere Frage.« Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln, das nichts Fröhliches hatte, nur das Zögern eines Menschen, der seinen guten Willen zeigen will und prüft, ob er sein Ziel erreicht hat. Michael nickte
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