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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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unwillkürlich als Antwort auf ihr Lächeln.
    »Jedenfalls war ich schon um sieben im Sekretariat und habe einige Telefonate erledigt, weil ich die Zeit ausnutze, wenn die Universität leer ist, um alles vor der Sprechstunde fertig zu haben, schließlich ist der Freitag besonders kurz, und sogar wenn offiziell keine Sprechstunde ist, gibt es immer Studenten, die etwas wissen wollen, und obwohl ich sie nicht außerhalb der Sprechstunden empfange, gibt es manchmal Sonderfälle, nun ja, und das unterbricht den Arbeitsrhythmus. jedenfalls, ich habe telefoniert. Ich glaube, ich habe Dr. Schaj angerufen, wegen eines Studenten, der seine Seminararbeit mit großer Verspätung abgegeben hat, und dann Dr. Schulamit Zelermaier, die kann man morgens am besten erreichen, weil ich eine Frage wegen der Abzüge ihrer Prüfungsaufgaben hatte, und dann habe ich Professor Tirosch angerufen, weil es ein Problem mit dem Budget gab, für das nur er allein zuständig war.«
    Endlich hielt sie inne, um Luft zu holen, und wohl auch, weil ihr plötzlich wieder die veränderte Situation einfiel, dann fuhr sie fort, in allen Einzelheiten zu berichten, was sie nach den Telefongesprächen getan hatte. Michael fühlte sich wie der Zauberlehrling, der den Besen nicht mehr loswurde. Der Redestrom schwoll immer mehr an, während das Gesicht Adina Lifkins den zufriedenen Ausdruck eines Menschen annahm, der eine Prüfung mit Bravour meistert. Michael fühlte sich auf einmal sehr müde und vollkommen hilflos, und dabei wußte er, daß sie, wenn er sie jetzt stoppte, nicht mehr würde weiterreden können. Von Zeit zu Zeit notierte er etwas auf einem Zettel, was sie dazu veranlaßte, ihn befriedigt anzuschauen, ohne daß sie aufhörte zu reden. Er konnte inzwischen nicht mehr die Spreu vom Weizen trennen, und erst nach etwa zwanzig Minuten riß er sich zusammen, erinnerte sich daran, daß sie in Wirklichkeit keine Macht über ihn besaß. Da war sie gerade dabei zu beschreiben, was am Nachmittag passiert war.
    Sie hatte gebacken, »die Kinder sollten am Wochenende kommen, obwohl mein Enkel ein bißchen Fieber hatte und meine Tochter zögerte, weil ihr Mann sich nicht so gut fühlte, er hat sich gestern den ganzen Tag untersuchen lassen«, und so weiter und so weiter, mit einer hohen, heiseren Stimme. Als sie anfing, den Besuch der Tochter zu beschreiben, gelang es ihm endlich, den Redefluß zu unterbrechen. »Entschuldigen Sie, nur einen Moment.« Sie schwieg sofort und sah ihn erschrocken, doch äußerst gutwillig an. Dann fragte er sie nach ihren Beziehungen zu den Angehörigen der Fakultät.
    Ihr Weltbild, soweit es diese Leute betraf, beschränkte sich auf ihre administrativen Funktionen. Jede ihrer Antworten bezüglich ihrer Meinung und ihrer Gefühle gegenüber den Dozenten bezog sich auf die Art, wie sie ihre Pflicht erfüllten, wie sie ihre Noten gaben, wie sie die Arbeiten korrigierten, wie sie Fragebögen ausfüllten. Michael erfuhr, daß Dr. Schaj jede Seminararbeit ernst nahm und sich mit der Korrektur beeilte, daß seine Noten gut begründet waren. »Gut, ich verstehe nicht viel davon, aber alles geht über mich, die Studenten bringen mir ihre Arbeiten, und ich gebe sie an den entsprechenden Dozenten weiter, so verhindern wir, daß es Probleme gibt, denn es ist schon passiert, daß ein Student behauptet hat, er habe die Arbeit abgegeben und der Dozent habe sie verloren, und wofür brauchen wir solche Probleme?« Sie strich ihr Kleid glatt.
    Jede Frage nach der Persönlichkeit der Leute, nach Veränderungen, nach ihren Beziehungen untereinander, erschreckte sie, und ihre Stimme wurde ängstlich.
    »Ich interessiere mich nicht für Klatsch«, sagte sie entschieden, als er sie über die Beziehung Tiroschs zu der Frau von Dr. Schaj fragte. »Dr. Schaj macht seine Arbeit, wie es sich gehört, es war immer alles in Ordnung.« Schnell fügte sie hinzu: »Soweit ich etwas davon verstehe, jedenfalls.«
    Scha'ul Tirosch, so erfuhr er, nachdem er – allerdings erst nach einer halben Stunde – herausgefunden hatte, was man sie fragen durfte, hatte nicht immer seine Pflicht erfüllt, aber sie hatte irgendwie Angst vor ihm, eine gewisse Ehrfurcht, obwohl er seine Korrekturen nicht immer rechtzeitig machte. Manchmal beschwerten sich sogar Studenten, daß er nichts schriftlich erklärte, und manchmal waren sogar schon Vorwürfe gekommen, er lese die Arbeiten vermutlich überhaupt nicht. »Aber das geht mich nichts an, davon verstehe ich nichts«, erklärte

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