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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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und allem«, sagte Nahari mit einem angewiderten Gesicht. »Was hat uns die Information, daß sich im Körper des alten Mannes Parathion befand, eigentlich gebracht? Nichts, soweit ich sehe.«
    »Daß wir Parathion in Srulkes Leiche gefunden haben, bedeutet nicht, daß es sich um einen Mord handelt«, sagte Michael. »Dafür gibt es weder ein Motiv noch sonst irgendwelche Hinweise. Wir nehmen auf Grund der Umstände an, daß er nicht ermordet worden ist, vermutlich handelt es sich um einen Unfall. Alle Anzeichen deuten darauf hin, er hat mit Parathion gespritzt und war unvorsichtig. Vermutlich hat jemand das Parathion dann an sich genommen.« Er schwieg einen Moment, dann fügte er hinzu: »Ein Teil des Problems ist genau dieser Punkt: daß wir auf die elementarsten Fragen keine Antworten bekommen. Aber Sie haben recht, wir hätten diese Richtung nicht vernachlässigen sollen.«
    »Sie haben nicht viel Zeit. Nur im Kino löst man die Fälle in vierundzwanzig Stunden. Und der Bericht, was dort gestern abend passiert ist, war sehr interessant, aber er bringt uns nicht weiter.«
    »Wenn Sie das selbst so sehen«, sagte Michael mit einem Blick auf die Uhr, »dann muß sich diese Sitzung ja nicht ewig hinziehen ...«
    Nahari schwieg.
    »Wir haben nicht genug Leute, und es ist klar, daß irgend etwas passieren wird. Ich habe das Gefühl, daß jede Minute, die ich nicht dort bin, Gefahr bedeutet. Lebensgefahr.« Wieder schaute Michael auf seine Uhr.
    Nahari verzog das Gesicht und sog schweigend an seiner Zigarre.
    »Es macht mir nichts aus, dramatisch zu wirken«, sagte Michael trocken. »Jede Minute, die ich hier sitze, bedeutet Lebensgefahr. Wirklich jede Minute. Ich muß dort sein, und das wissen Sie auch. Es wird etwas Schreckliches passieren. Die Luft dort ist zum Schneiden. Ich kann nicht hierbleiben und mich nur um Jojos Motiv kümmern.«
    »Das brauchen Sie auch nicht«, sagte Nahari und stieß mit einem lauten Knall die Tischschublade zu, in die er die Zigarrenschachtel geschoben hatte. »Ich möchte Sie daran erinnern, daß Sie in Ihrer Abteilung zwölf Leute haben. Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie alleine arbeiten. Sie ...«, er deutete auf Sarit, »kann sich sehr gut um Jojo kümmern. Sie könnten auch die Leute umverteilen, die Sie auf andere Fällen angesetzt haben.«
    »Ich muß los«, sagte Michael und legte seine Unterlagen zu einem Bündel zusammen. Ihm fiel auf, daß Nahari sich nicht von seinem Stuhl erhob. Keiner bewegte sich von seinem Platz, auch nicht, als er die Tür öffnete und hinter sich zumachte.

Achtzehntes Kapitel
     
    Awigail blickte sich um und bedeckte den Hörer des öffentlichen Telefons mit der Hand. Obwohl die Eingangshalle zum Speisesaal leer war und sie hinter einer dicken Säule verborgen stand, konnte sie fühlen, wie sich in ihrem Nakken der Angstschweiß sammelte. Als sie weitersprach, senkte sie die Augen und bemerkte den gelben Fleck auf ihrem Schwesternkittel.
    Der Vorraum zum Speisesaal war kühl, auch weil die Tür vor kurzem kaputtgegangen war. An den Stellen, die von der Sonne nicht erreicht wurden, waren einige feuchte Strei fen von dem breiten Gummischrubber zurückgeblieben, mit dem ein junges Mädchen in kurzen Hosen das Wasser von den Marmorfliesen gestreift hatte. Ihre kurzen Hosen waren mit der Schere abgeschnitten und spannten um ihre gebräunten Oberschenkel. Awigail blickte auf die Uhr und sagte leise in den Hörer, dies sei die tote Stunde vor dem Mittagessen, aber bald würden die Leute hereinströmen, dann könne sie nicht mehr reden. »Ich habe gedacht, Ochajon würde sich nicht von hier wegbewegen«, flüsterte sie. Sie wunderte sich selbst über den gekränkten Unterton in ihrer Stimme. »Ihr laßt mich hier ganz allein, mit dieser ganzen Hysterie wegen Jojo...«
    Von der anderen Seite kam beruhigendes Gemurmel aus dem Hörer. »Das könnt ihr vergessen«, sagte sie wütend. »Was glaubt ihr denn, was es hier schon für Gerüchte gibt? Seid ihr verrückt geworden?« Sie versuchte, den beleidigten Ton in ihrer Stimme zu unterdrücken, den sie selbst haßte. »Ich bin ganz schön unter Druck. Seit zwei Tagen habe ich mit niemandem mehr gesprochen, und die Stimmung hier ist zum Schneiden. Die ganze Zeit kommen Leute mit Kopfweh und Bauchweh zu mir, und die Kinder spielen verrückt, und diese Sache, daß Jojo schon zwei Tage bei euch ist, macht es auch nicht besser. Und ausgerechnet jetzt verschwindet er von hier, ausgerechnet jetzt!«
    Sie atmete tief.

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