Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
Hacohen schlug vor, zuerst ihn die Angelegenheit erklären zu lassen, bevor man Zwiki das Wort erteilte.
»Was gibt es da zu erklären?« schrie eine Frau aus dem Vorstand, die Aharon nicht kannte.
»Moment mal, jeder der Reihe nach, es gibt keinen Grund, sich aufzuregen«, sagte Se'ew Hacohen. »Das ist kein Grund zum Schreien. Wir haben heute abend genug geschrien.« Aharon beobachtete amüsiert, wie Fanja etwas Unverständliches vor sich hin murmelte. »Es gibt keinen Grund, unsachlich zu werden«, fuhr Se'ew fort. »Es geht darum, ob ein Chawer, der hier im Land einen Kurs vollendet hat, seine Studien im Ausland fortsetzen darf, und das ist eine Frage des Prinzips. Es handelt sich um den dritten Kurs in drei Jahren, den Zwiki beantragt hat. Deshalb sind wir der Meinung, er könnte ihn um ein oder zwei Jahre verschieben.«
»Um was für einen Kurs geht es?« fragte Chajuta ungeduldig. Aharon lobte sich insgeheim dafür, daß er sie erkannte. Sie war nur drei Jahre älter als er und sah aus wie eine liebe Großmutter.
»Ach was, Kurse«, sagte Guta, die, wie seit vielen Jah ren, neben Fanja saß. »Die jungen Leute sollen erst mal arbeiten. Jeder soll seinen Beitrag leisten. Sonst heißt es wieder, es gäbe kein Geld mehr, um uns Alte hierzubehalten.« Sie hatte angefangen zu schreien. Fanja verzog die Lippen und beugte sich tiefer über ihr Strickzeug.
Se'ew Hacohen hob beruhigend die Hand, und Guta wandte sich zu ihm und sagte wütend: »Einerseits redet man von Effektivität und Sparmaßnahmen, und andererseits...«
Vermutlich war Aharon in diesem Moment eingenickt. Der Schmerz in seinem linken Arm weckte ihn. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, daß es zwei Uhr nachts war. Er lag auf dem kurzen Sofa in Osnats Zimmer, und jemand, vermutlich Osnat, hatte eine leichte Decke über ihn gebreitet. Sein erster Gedanke war, daß er aufhören müsse, hierher zukommen. Es war vollkommen sinnlos, sagte er sich, als er aufstand und ins Schlafzimmer ging. Osnat lag im Bett und schlief. Er berührte ihre Schulter. Sie murmelte etwas vor sich hin. »Warum hast du mich nicht geweckt?« fragte er und versuchte, seinen Zorn zu unterdrücken. Erstaunt stellte er fest, daß er flüsterte.
»Du warst so müde, daß du mich noch nicht mal gehört hast, als ich reingekommen bin, deshalb habe ich dich schlafen lassen«, erwiderte Osnat und setzte sich im Bett auf.
»Deine Hand ist ganz heiß«, sagte Aharon. Er verstand selbst nicht, warum seine Stimme so weich klang. Insgeheim hatte er die Absicht, sich zu verabschieden und sofort loszufahren.
»Das war eine anstrengende Sitzung«, sagte Osnat, »und außerdem glaube ich, daß ich Fieber habe.«
Er legte ihr die Hand auf die Stirn. Sie war heiß.
»Wo ist dein Thermometer?« fragte er. Kurz darauf kam er aus dem Badezimmer zurück, das Thermometer in der Hand.
»Neununddreißig-vier«, sagte er erschrocken und fragte hilflos, ob er jemanden holen solle. Sie schüttelte hartnäckig den Kopf, aber die zwei Aspirin, die er ihr brachte, schluckte sie gehorsam. Als sie den heißen Tee mit Zitrone trank, den er für sie gekocht hatte, schlugen ihre Zähne an den Rand des Glases, und ein Schauer überlief sie. »Vielleicht solltest du jetzt besser fahren«, sagte sie. »Ich weiß nicht, was mir fehlt, und ich will nicht, daß du dich ansteckst. Außerdem ist es sowieso schon sehr spät, und ich möchte schlafen.«
Aharon nickte, erkundigte sich, ob er ihr noch eine Tasse Tee machen sollte und berührte ihre Stirn, die noch immer glühte. Dann sagte er: »Gut, also auf Wiedersehen. Ich rufe dich morgen an. Und geh zum Arzt.« Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.
Am Himmel, einem klaren Sommerhimmel, standen Sterne, doch ihr Licht reichte nicht aus, um die Straße zu erhellen. Die Straßenlampe war gelöscht, und auf seinem Weg zum hinteren Tor des Kibbuz wäre er fast über einen Stein gestolpert. Als die seltsame Gestalt in den kurzen Hosen wieder hinter dem Haus auftauchte, fast als habe sie unter Osnats Schlafzimmerfenster gestanden und gewartet, stockte ihm der Atem. Plötzlich wurde ihm klar, daß sie vielleicht wirklich dort gestanden hatte. Der Gedanke, die Person zu verfolgen, schoß ihm durch den Kopf – aber sowohl der Schmerz in seinem Arm als auch seine Abneigung gegen dramatische Aktionen hielten ihn zurück. Mit schnellen Schritten lief er zu seinem Auto.
Viertes Kapitel
Bis die Schwierigkeiten mit ihrem Sohn Motti begannen, hatte Simcha immer alles
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