Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Leiterin der Abteilung wußte. Er war ihr nie persönlich begegnet, er hatte nur die Berichte der Polizistin Malka gehört. Einmal hatte er mit ihr telefoniert. Das Gespräch war sehr kurz gewesen. Es war vor dem ersten Besuch von Schwester Nechama erfolgt, und er erinnerte sich an den bestimmten, beruhigenden Ton, mit dem sie in ihrer jungen, klaren Stimme gesprochen hatte. Malka hatte – so Zila – großen Respekt vor der Leiterin, über deren scharfen Verstand sie häufig sprach. Michael hatte Balilati das Jugendamt und die Fürsorge als Institutionen beschrieben, die für ihn die größte Bedrohung darstellten. Von Schwester Nechama hatte er Balilati kein Wort erzählt.
Vor der Sitzung hatte Zila ihm als Antwort auf den ängstlichen Blick, den er ihr zugeworfen hatte, gesagt: »Es gibt noch nichts Neues. Sie haben noch nichts gefunden.« Sie hatte ihre Worte unwillig und verbittert ausgestoßen, als wollte sie ihm erneut beweisen, daß sie gegen die ganze Sache war. Als er sich verzweifelt beklagt hatte: »Das tut nichts mehr zur Sache. Selbst wenn sie die Mutter nicht finden, wird man mir die Kleine wegnehmen«, hatte sie die Achseln gezuckt, als wolle sie sagen: »Es war deine Entscheidung.« Er hatte hinzugefügt: »Selbst wenn ich keine Verbindung zu dem Fall hätte, allein schon wegen meiner Beziehung zu Nita. Ich kann jetzt nicht mehr behaupten, daß wir ein Paar sind. Es ist aussichtslos.« Zilas Gesicht war freundlicher geworden. »Malka hat mir gesagt, daß die Fürsorge sich noch nicht bei ihr gemeldet hat.« Sie versuchte, ihn zu ermutigen, und schien es zu bedauern, daß sie Kritik an ihm geübt hatte.
»Sie schreiben nicht mit«, rief Ruth Maschiach Balilati ins Gedächtnis und rieb erneut ihre Stirn.
»Ich schreibe ja schon«, beeilte sich Balilati und beugte sich über das Papier. Dann hob er das Gesicht, sah Michael an und sagte: »Ich werde mit dem Herrn in einen anderen Raum gehen, damit wir uns dort über ein paar Kleinigkei ten unterhalten können. Du bleibst mit der Dame hier.« Er sprach in einem verschwörerischen Flüsterton, als ob er mit seinem Verschwinden die Basis für ein intimes, beinahe romantisches Gespräch schuf. Michael hatte vor zu protestieren, aber Balilati sah ihn warnend an und zeigte mit dem Kopf in Richtung Tür.
»Einen Moment«, sagte Michael gehetzt. »Entschuldigen Sie mich einen Moment.« Er ging eilig zur Tür, und Balilati folgte ihm. Im Flur flüsterten sie miteinander, der Kopf Balilatis drehte sich nach allen Seiten, als wolle er sich vergewissern, daß niemand zuhört. Und als er sich dem Treppenhaus zuwandte, sagte er, ohne Michael anzusehen: »Ich will nicht in die Sache verwickelt werden. Bring du zuerst deine Angelegenheiten mit ihr in Ordnung, oder wir schikken einen anderen, vielleicht Zila. Denn sonst kommt zum Schluß noch dabei heraus, daß sie mir Fragen über dich stellt, und zum guten Schluß bin ich der Schuldige. Sie kennt deinen Namen und weiß sicher über dich Bescheid. Sie ist keine von denen, die auf dem Schlauch stehen, du hast sie ja gesehen. Sie ist nicht dumm. Wann triffst du Schorer?«
»Schorer kann mir auch nicht weiterhelfen. In dem Fall nicht«, sagte Michael schroff. »Jetzt ändert nichts mehr etwas daran. Sag mir nur, ob du es gewußt hast.«
»Ob ich was gewußt habe«, fragte Balilati verwirrt, »daß man dir die Kleine wegnimmt?«
»Nein, daß sie die Leiterin der Fürsorge ist.«
»Hast du sie nicht alle?« fragte Balilati beleidigt. »Woher sollte ich das wissen?! Hast du nicht gesehen, wie ich erschrocken bin? Du hattest mir einen ganz anderen Namen angegeben. Auf keinen Fall Maschiach. Willst du, daß ich Zila zu ihr schicke?«
»Nein«, sagte Michael bestimmt. Eine seltsame Ruhe, eine beinahe träumerische Ruhe überkam ihn. Ein Gefühl des Sich-treiben-Lassens. »Wir gehen vor, wie wir es besprochen haben. Du sprichst ihn auf den Lügendetektor an, ich nehme mir die Frau vor. Ich habe damit kein Problem. Ich werde sie ohne Hintergedanken vernehmen.«
Sie machten sich an die Arbeit. Gesenkten Hauptes ging Isi Maschiach hinter Balilati her, und vor der Tür sah er verzweifelt und machtlos seine Ex-Frau an, die ihm zunickte, als wäre er ein Schulkind, das sie an seinem ersten Schultag in der Klasse zurückließ. Sie faßte sich an die Stirn und drehte sich nach Michael um. Für ein paar Sekunden saßen sie schweigend einander gegenüber, bis sie die Stille unterbrach und unverblümt bemerkte: »Isi hat mir von
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