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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Genaues. Nichts Konkretes«, sagte er verwirrt. »Ich bin nicht auf die Idee gekommen, die indischen Fakire mit Hypnose in Verbindung zu bringen.«
    »Darum ist eine Hypnose so ein großer Eingriff«, sagte Ruth Maschiach. »Darum kann man niemanden hypnoti sieren, wie man es manchmal in Filmen sieht, ohne sein aus drückliches Einverständnis. Es ist Unsinn zu glauben, daß man einen Menschen gegen seinen Willen und ohne seinen aktiven Wunsch hypnotisieren kann. Jemand, der nicht zu einer Hypnose bereit ist, wird höchstens einschlafen. Haben Sie es nie ausprobiert?«
    »Ich glaube, ich wäre nicht in der Lage, mich hypnotisieren zu lassen«, sagte Michael nachdenklich. »Dieses sich ausliefern ... dieser Verlust der Kontrolle ... ich glaube, diesen kosmischen Wunsch, von dem Sie gesprochen haben, verspüre ich nicht«, sagte er mit einem Lächeln, das ihr gefallen sollte, damit sie ihm verzieh. »Ich kann auf meine Selbstkontrolle nicht verzichten, nicht einmal für ein embryonales Erlebnis, ich ziehe die Verantwortung vor«, sagte er beinahe entschuldigend.
    »Es ist nicht nur ein Verzicht auf Kontrolle«, sagte Ruth Maschiach und sah ihn prüfend an. Ihre schrägen Augen wur den noch enger, »es geht nicht nur um Einverständnis. Das Subjekt muß einverstanden sein, aber es muß auch in der Lage sein, zu vertrauen und sich jemandem hinzugeben.«
    Er erschrak. »Nita wird ihm nicht vertrauen«, sagte er und sah in Richtung Tür. »Sie kann niemandem mehr vertrauen«, sagte er besorgt.
    »Das halte ich für ausgeschlossen«, sagte Ruth Maschiach beschwichtigend. »Sie ist stärker, als Sie glauben. Sie dürfen nicht in absoluten romantischen Begriffen denken«, sagte sie beruhigend. »Schließlich will sie es ja auch wissen. Es geht um einen Wunsch, um ein Bedürfnis. Der Mensch verliert im Erwachsenenalter nicht wegen einer Per son das Vertrauen in die ganze Menschheit. Selbst wenn er die Absicht hätte, niemandem mehr zu vertrauen, würde es ihm schwerfallen, eine Entscheidung zu treffen, die für immer Gültigkeit hat.« Sie zog an der Zigarette und stieß eine kleine weiße Wolke aus, sah die Zigarette an und murmelte: »Wieso rauche ich eigentlich?« Sie warf die Zigarette in den leeren Becher, den er in der Hand hielt. Sie nahm ihm den Becher ab, stand rasch auf und goß Wasser aus der Trinkanlage in der Ecke des Wartezimmers hinein. Ihr Körper war knabenhaft und jugendlich in dem weiten hellen Hosenanzug, und ihre Bewegungen waren geschmeidig. Plötzlich stellte er sich vor, wie er diesen Körper umarmen und seinen Kopf in den kleinen Locken vergraben würde. Sie nahm wieder vor ihm Platz. »Der Hypnotiseur muß sehen, wann die Augen des Hypnotisierten langsam müde werden. Dann muß er zuschnappen.«
    »Zuschnappen«, wiederholte Michael. Er hatte das Bild einer Schlange vor sich, die ein Kaninchen anfiel.
    »Sich beeilen, interpretieren, präzisieren, genau sein, den Moment beim Schopf packen, genau im richtigen Augenblick sagen: ›Ihre Augen wollen sich schließen. Sie wollen schlafen. ‹ So beginnt jede Hypnose. Haben Sie es schon ein mal gesehen?«
    »Ja, ich habe es schon gesehen«, sagte Michael. »Im Kino und einmal sogar bei uns. Aber ich habe es nie richtig verstanden.«
    »In diesem Moment passieren mit dem Hypnotisierten ein paar Dinge: Er erlebt eine völlige Entspannung, eine ungeheure Erholung wie nach fünf Stunden Schlaf. Die elektrische Ladung aller Systeme fällt ab.«
    »Solch eine Erholung kann sie gut gebrauchen. Gerade solch eine Erholung täte ihr gut«, sagte Michael und schaute in Richtung der schweren verschlossenen Tür, aus der kein Geräusch drang.
    »In dem Moment, in dem man Ihnen sagt: ›Ihre Augen wollen sich schließen‹, verstehen Sie, daß der Hypnotiseur in Ihr Inneres schaut. Es kommt einem vor wie eine innere Wahrheit. Es ist ein kleiner Stein, auf dem man das Gefühl des Vertrauens aufbaut, denn man sagt sich: Der andere weiß genau, was ich fühle. Wenn Sie es nie erlebt haben, können Sie es kaum nachvollziehen.«
    Er schüttelte den Kopf und zündete sich eine Zigarette an. »Der Gedanke verursacht mir Unbehagen«, gestand er verlegen. »Ich mag mich nicht gerne so ausliefern. Haben Sie es einmal versucht?« fragte er vorsichtig, als wären sie zwei Kinder, die ein verbotenes Erlebnis teilten.
    »Natürlich«, sagte sie mit einem Lächeln. »Aus Neugier, und auch weil ich später darüber doziert habe.«
    »Wie war es?« fragte er interessiert.
    Sie lächelte.

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