Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
wie erleichtert.
»Die Kehle wurde ihm durchgeschnitten«, präzisierte Theo.
»Viel Blut«, sagte die schwere Stimme nachdenklich. Plötz lich fragte sie sachlich und klar: »Wer hat das gemacht?«
»Man weiß es nicht«, sagte Theo. »Sie suchen noch.«
»Ach so. Sie suchen. Herzls Stimme war wieder dumpf. »Sie werden nichts finden«, sagte er leise.
»Vielleicht doch«, hoffte Theo. »Sie arbeiten hart daran.« »Sie werden nichts finden«, versicherte Herzl. »Auch bei deinem Vater haben sie nichts gefunden. Gabi hat es mir gesagt. Er wurde auch getötet.«
»Gabi hat dir von Vater erzählt?!« staunte Theo. »Wann denn?«
»Als er hier war, bei mir.«
»Wann?«
»Man wird den, der deinen Vater getötet hat, nicht finden. Bis jetzt haben sie ihn nicht gefunden. Sie werden auch den nicht finden, der Gabi getötet hat.«
»Mit Vater ist es etwas anderes. Es war wegen dem Bild ...«
»Nicht wegen dem Bild«, sagte Herzl.
»Sie haben das Bild gestohlen«, sagte Theo laut.
»Aber nicht deswegen. Nicht deswegen. Es gibt so viel Bosheit. Viel Schlechtigkeit.« Die Stimme erstarb langsam.
»Wann war Gabi bei dir? Warum hat er mir nicht davon erzählt?«
Schweigen.
»Mach die Augen nicht zu. Schlaf jetzt nicht ein, Herzl«, bat Theo. »Hilf mir. Nur wir beide sind übriggeblieben und Nita.«
Der Klang eines schnorchelnden Kicherns ertönte in dem geschlossenen Wagen. Michael erschauderte.
»Herzl«, bat Theo, »ich rede mit dir.«
»Du hast mir nichts von deinem Vater gesagt. Du bist nicht hergekommen, um es mir zu sagen«, klagte Herzl.
»Wie sollten wir das anstellen?!« Theos Stimme klang verzweifelt und schuldbewußt. »Wir wußten ja nicht, wo du bist!«
»Gabi wußte es. Er hat mich gesucht.«
»Er hat mir nichts davon gesagt«, flehte Theo. »Wenn ich es gewußt hätte, wär ich ...«
»Man hat ihm die Luft abgedrückt«, versicherte Herzl.
»Es war nicht das gleiche«, protestierte Theo. »Erst nachdem Gabi schon tot war, hat man entdeckt ... Woher weißt du es? Woher weißt du, daß es kein Unfall war?« fragte er erschrocken. »Herzl, wenn du etwas weißt ... Die Polizei hat herausgefunden, daß du an dem Tag, an dem Vater ermordet wurde, nicht im Krankenhaus warst. Wo warst du, Herzl?«
»Hast du die Noten gefunden?« fragte die andere Stimme mit plötzlicher Wachsamkeit.
»Welche Noten?«
Schweigen.
»Von welchen Noten redest du?« Theos Stimme war jetzt kalt und gespannt. »Was weißt du, von dem ich nichts weiß?«
»Du weißt es, du weißt es«, sagte Herzl. »Jetzt ist alles, alles ...« Das Rücken der Stuhlbeine übertönte das Ende des Satzes. »Faß mich nicht an!« schrie Herzl. »Ich kann es nicht leiden, wenn du mich anfaßt.«
Wieder war das Geräusch der Stuhlbeine zu hören. »Sieh nur, ich gehe ja weg«, versprach Theo erschrocken. »Warum bist du böse auf mich, Herzl? Ich wußte nicht, wo du bist, glaube mir.«
»Ich will zurück«, wieder war die Stimme stumpf und müde. »Bring mich zurück.«
»Sie suchen nach dem Bild«, überhörte Theo seine Worte. »Die Polizei macht Hausdurchsuchungen.«
»Bring mich zurück in mein Zimmer«, wiederholte die dumpfe Stimme.
»Gleich, noch einen Moment, sag mir nur, was mit dem Rechtsanwalt war?«
In den Sekunden des Schweigens spürte Michael, wie seine Kaumuskeln sich verspannten. Balilati sperrte den Mund auf, Michael warnte nickend, und Balilati schwieg.
»Dein Vater hat Gabi geliebt«, sagte Herzl. »Am meisten liebte er Gabi. Gut, daß er vorher gestorben ist.«
»Er hat ein Testament gemacht. Er hinterließ dir ...«
»Ich will nichts, von keinem. Ich brauche nichts. Nur die Noten«, unterbrach ihn Herzl mit erneuter Wachsamkeit. »Alles gehört dir.«
»Und Nita«, rief Theo in Erinnerung.
»Und Nita«, stimmte Herzl versöhnlicher zu. »Sie hat ein Kind.«
»Auch dir hat er etwas hinterlassen«, sagte Theo duldsam.
»Ich will nichts. Ist das Geschäft geschlossen?«
Michael konnte sich Theos Nicken vorstellen.
»Man wird es verkaufen«, sagte Herzl mit gebrochener Stimme. »Bring mich zurück in mein Zimmer, und dann bring mir die Noten.«
»Ich bringe dich gleich zurück«. Theos Stimme zitterte. »Welche Noten?«
Schweigen.
»Warum schaust du mich so an?« fragte Theo bittend. »Du weißt, daß ich dich gern habe.«
Plötzlich war Herzls Stimme zu hören. Sie war heiser, überraschend tief und summte eine kurze melodische, sehr liebliche Melodie. Dann wurde er still. »Bring mir die Noten«,
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