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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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plötzliche Erlösung. Schließlich war es kein Zufall, daß er es war, der das Weinen in dem Karton gehört hatte. Schließlich war er nicht zufällig für dieses Wei nen offen gewesen. Es war eine Tatsache. Er würde sich nicht einverstanden erklären. Er durfte nicht einwilligen.
    Ein paar Minuten lang saßen sie schweigend beieinander. Schorers Hand ließ seinen Arm nicht los. Plötzlich kam ihm die Erkenntnis, scharf wie ein Messer: »Woher weißt du es?«
    »Was meinst du? Woher weiß ich was?« fragte Schorer gelassen und zog die Hand von dem zittrigen Arm, den Michael eilig mit dem zweiten Arm verschränkte.
    »Woher weißt du, daß man sie abgeholt hat? Du ... du hast es die ganze Zeit gewußt!«
    Schorer nickte.
    »Und du hast mir nichts gesagt. Du hast mich ... Seit wann weißt du es?«
    »Erst seit heute morgen«, sagte Schorer ruhig. »Erst heute morgen sind sie gekommen, um mich zu informieren. Ich habe nichts gesagt, denn ich mußte erst hören, was du selbst mir dazu zu sagen hast.«
    »Denn du wolltest erst mal sehen, ob ich es dir gestehe«, murmelte Michael mit vor Zorn erstickter Stimme. »Denn du hast gedacht, ich könnte dich anlügen. Das Ganze war ein Test. Wer war hier, um es dir mitzuteilen?«
    »Was spielt das für eine Rolle? Ich mußte ...«
    »Was spielt das für eine Rolle? Was das für eine Rolle spielt?!« schrie Michael. Schorer legte wieder beruhigend seine Hand auf seinen Arm, und Michael beeilte sich, die Stimme zu senken.
    »Du weißt es sehr wohl. Ich muß mit diesen Leuten zusammenarbeiten. Wenn Eli oder Zila hergekommen sind, ohne mit mir darüber zu reden, dann ...«
    »Es war weder Eli noch Zila.«
    »Wer dann? Du kannst es mir nicht verheimlichen, war es Ruth Maschiach?«
    »Ich habe mich verpflichtet, es nicht zu sagen. Ich habe es versprochen«, sagte Schorer, und zum ersten Mal schlich sich ein Zögern in seine Stimme.
    »Es interessiert mich nicht, dieses Versprechen«, sagte Michael mit harter Stimme. »Willst du, daß ich weggehe, daß ich kündige? Ich kann nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der mir in den Rücken fällt. Wenn du mir nicht sagst, wer es war, dann ist es jemand von uns. Vielleicht bin ich durchgedreht, wie du behauptest, aber ich habe meine Fähigkeit zu denken nicht eingebüßt.«
    »Heute morgen, nach eurer Sitzung ist dieses junge Ding hiergewesen, wie heißt sie noch, diese Dalit.«
    »So eine Schlange«, hörte Michael sich zischen und wurde still.
    »Sie ist ehrgeizig«, stimmte Schorer zu, »und sie ist gar nicht dumm. Sie war besorgt.«
    Michael schwieg.
    »Das ist eine heikle Frage, die Frage nach der Loyalität«, murmelte Schorer, »Tatsache ist, daß weder Eli noch Zila noch Balilati mir ein Wort gesagt haben. Sie haben nicht mit mir gesprochen«, sagte er mit großem Unbehagen, als wäre er Komplize eines Verrats.
    »Du schließt sie sofort aus der ganzen Sache aus!« verkündete Michael.
    Schorer sagte nichts.
    »Ja?« fragte er hartnäckig.
    »Mal sehen«, Schorer kratzte sich den Kopf.
    »Und wegen dieser Frau kommt man einfach daher und nimmt mir, ohne einen Ton zu sagen, das Baby weg ...«
    »Zum Wohl des Babys!« sagte Schorer schroff. »Ruth Maschiach hat mich angerufen. Man hat ihr gesagt, daß wir uns nahestehen. Das waren ihre Worte. Sie hat mich gebeten, mit dir zu reden, dich vorzubereiten. Als sie anrief, wußte ich schon, worum es geht.«
    »Auch mit ihr hat diese Dalit gesprochen? Mit Ruth Maschiach?« fragte Michael fassungslos.
    »Sie hat gesagt, es ginge ihr auch um das Wohl des Kindes und daß du selten zu Hause bist.« Schorers Stimme erstarb verlegen.
    »Ach, diese scheißliberale Scheinheiligkeit, wieviel Macht sie hat. Insbesondere wenn es heißt: ›Zum Wohl des Kindes‹, ›Zum Wohl des Falles‹.«
    »Aber«, sagte Schorer behutsam, »wenn man die persönlichen Gefühle einmal beiseite läßt, ist etwas Wahres daran. Sie hat nicht gelogen«, fügte er hinzu und sah schnell zur Seite. »Du läufst wirklich herum, wie ... wie immer, wenn du an einem Fall arbeitest. Du kämpfst an zu vielen Fronten. Aber ich habe einen Vorschlag.«
    Michael schwieg.
    »Mein Vorschlag lautet«, antwortete Schorer sehr langsam und gemessen, als wähle er jedes Wort, »daß du eine Zeitlang bei mir unterkriechst. Du wirst bei mir wohnen. Meine Frau wird bei meiner Tochter und dem Kind bleiben.« Er schielte in Richtung Säuglingsabteilung. »Ich werde zu Hause allein sein. Zieh für ein paar Tage zu mir. Bis wir klarer

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