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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Schorer die Wagentür öffnete, sich vorbeugte und zwei hellblaue Hemden und eine Tüte mit Unterwäsche auf Michaels Knien deponierte. »Wasch- und Rasierzeug wird gestellt. Ich hatte jetzt keine Zeit für solche Kleinigkeiten«, sagte er und setzte sich hinter das Lenkrad.
    Michael sah das zartrosa Zimmer, die Reihe der wolligen Koalabären, die Schorer vom Bett einsammelte und behutsam neben der Sammlung der winzigen Parfumflakons aufreihte, die ordentlich auf einem Bord über dem schmalen Bett seiner ältesten Tochter standen, das mit einem weißen Spitzenüberwurf bedeckt war. Später hatte er seufzend das Fenster geöffnet und mit den Fensterflügeln frische Luft in den Raum gefächert, der von Parfümduft vollgesogen war. »Jetzt ist es das Gästezimmer. Nicht, daß wir wer weiß wie viele Gäste hätten. Kinder«, sagte er und zog wild an den bunten Vorhängen, »sind eines schönen Tages da und laufen im Haus herum. Dann bekommen sie selber Kinder, und das Haus ist wieder leer.«
    Michael war klar, daß er in der Nacht kein Auge zumachen würde, aber seinen Befürchtungen zum Trotz war er eingeschlafen, kaum daß er die dünne Decke über den Kopf gezogen hatte. Er war erschrocken erwacht, Reste eines Alptraums geisterten noch durch sein Gehirn. Er hatte von einem großen Haus geträumt, das nach allen Richtungen offen war. Er war über eingetretene Türen gestiegen, die ihm den Weg versperrten, bis er das Hinterzimmer erreichte, das groß und leer war wie ein Saal, in dessen entlegener Ecke eine Wiege stand. Er war auf die leere Wiege zugegangen, und zu ihren Füßen, in der Ecke des Zimmers, hatte eine zu sammengerollte, vertrocknete Leiche gelegen, die kleine Mu mie eines Babys in der Größe eines Arms. An mehr konnte er sich nicht erinnern. Er knipste die Nachttischlampe an, die die Gestalt eines Zwergs mit roter Zipfelmütze hatte.
    Mit zittriger Hand zündete er sich eine Zigarette an und stellte sich vor das offene Fenster. Neue Laternen beleuchteten die Überreste der Plantagen zu Füßen des Stadtteils Bayit Vegan. Als Juwal klein war, gingen sie häufig zwischen den verwilderten Obstplantagen spazieren und kletterten zu Fuß zum Hotel Holyland. Jetzt war die Plantage umgegraben worden. Planierraupen glätteten die Gipfel der Hügel und ebneten ihre weichen Rundungen. Im Licht der großen Laternen an der Spitze der silbrig glänzenden Strom masten sah man die Rohbauten, deren Bauherren begon nen hatten, auf Böden zu bauen, die sie günstig erworben hatten, als das Land zu Bauland deklariert wurde. In eini ger Entfernung, inmitten einer einstigen Apfelplantage, stand schon ein kompletter spanischer Palast mit vier Stockwerken, runden Balkons und steinernen Pfeilern. Desolat, dachte er. Er schloß das Fenster und kehrte zu seinem Bett zurück. Er mußte sich damit abfinden, daß das Baby nicht sein Kind war. Er würde es tun. Eine Pflegefamilie (sofort sah er ein Bild dieser Familie vor sich, in einem Raum, wie dem, in dem er sich befand, mit einem Fenster auf einen grü nen Garten, in einem Haus mit rotem Ziegeldach). Einen harten, boshaften Ton nahmen die Worte in seinem Innern an. Vielleicht doch, beharrte eine schwache Stimme, aber er drückte seinen Zigarettenstummel auf dem Deckel einer Blechdose aus und löschte das Licht. Nein, unmöglich, brachte er die schwache Stimme zum Schweigen, während er sich hin und her warf. Babys fand man tatsächlich nicht auf der Straße. Nitas Gesicht, leuchtend, unglücklich, verloren, rief ihn, bis er wieder einschlief.
     
    Die Tür des Sitzungssaals wurde schwungvoll geöffnet. »Na, was sagst du jetzt?! « schallte Balilatis Stimme, vor Stolz ber stend. Er wiederholte mit großer Genauigkeit die Worte, die er schon in der Nacht am Telefon geäußert hatte: »Ich kann es nicht fassen, wie man so etwas tun kann! Immerhin ist es eine halbe Million Dollar wert! Es lag zusammengerollt im Küchenschrank. In Papier gewickelt. Solch ein weißes, glän zendes Papier, mit dem Mati die Küchenschränke auslegt. Wenn ich nicht hineingeschaut hätte, hinter die Flaschen und die Kakaodosen, hätte ich es für eine einfache Rolle Pa pier gehalten. Ich dachte – es würde Monate dauern, bis wir es finden, und da, plötzlich ... !« Auch seine Augen waren rot. Er blinzelte häufig, als ob sie weh taten. Stoppeln, die ein oder zwei Tage alt waren, verliehen ihm ein vernachlässigtes Aussehen. Sein gestreiftes Hemd fiel über den gewaltigen Bauch, und hinter seinem breiten

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