Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Rücken stand Dalit.
Beim Anblick ihres Gesichts wurde Michael von einer Welle des Zorns überflutet. Er preßte die Kiefer zusammen und heftete seine Augen auf Schorer, der neben ihm saß und mit großer Aufmerksamkeit die Kaffeetasse untersuchte, als ob er weder Dalits noch Michaels Blick bemerkte. Für einen Moment dachte Michael daran aufzustehen. Er stellte sich sogar vor, wie der Stuhl umkippen würde, sah sich demonstrativ den Raum verlassen, die Tür des Sitzungssaals zuschlagen und nicht mehr zurückkehren, bis man das blasse, strahlende Gesicht entfernt hätte. Er verwarf nach und nach alle Möglichkeiten, über die er phantasierte und die dramatisch und geschmacklos waren und unehrlich, und ent schied sich, tief in dem gepolsterten Sitz unterzutauchen, die Beine auszustrecken, seine Füße übereinander zu schlagen und sich dem Gefühl des Nichts hinzugeben, die Bewegung der Zeiger der großen Wanduhr zu verfolgen und beharrlich einen Fettfleck auf der braunen Resopalplatte des Tisches zu untersuchen.
Balilati setzte sich voll des Selbstlobes ans Kopfende, lobte auch Dalit und Zila und machte unwillig eine Bemerkung über die gute Arbeit von Eli. Sipo sah ihn mit demütiger Erwartung an und senkte den Blick, als kein Zweifel mehr daran bestand, daß Balilati nicht die Absicht hatte, seinen Namen zu erwähnen. Es schien Michael, daß in den Gesichtern Zilas und Elis Erleichterung lag, weil Schorer endlich da war und die heikle Situation von Michael geklärt war. Zila, die ihm gegenübersaß, wich seinem Blick aus. Ba lilati sprach in die Richtung, in der Michael und Schorer am Rand des Tisches saßen. Er widmete ein paar Minuten der Zusammenfassung der Ereignisse. (»Für den Chef der Kriminalpolizei«, sagte er und sah Schorer an, »obwohl ich weiß, daß er im Bilde ist. Ich kann mir vorstellen, daß die Nacht dafür verwendet wurde.«) Dann beschrieb er detailliert den Zustand von Herzls Wohnung. (»Ein modriges Loch in Beit Hakerem, zehn Zentimeter Dreck auf dem Fußboden, du bleibst bei jedem Schritt kleben, falls du über haupt durchkommst, eine Spachtel braucht man dort. Unglaublich, was der Mensch so angesammelt hat. Er ist nicht mal sechzig Jahre alt und hat schon so einen Haufen Schrott angehäuft. Alles liegt durcheinander, dazwischen Musikinstrumente, ich verstehe nichts davon, aber es scheint mir, daß unter all dem Plunder wertvolle Instrumente liegen. Die Wohnung sieht aus wie ein Schuppen.«) Auch den Küchenschrank malte er aus, den er eigenhändig, entgegen der Mei nung der Kollegen von der Spurensicherung, mühsam durch suchte. Und wie das Original darin versteckt war. (»Hinter Rotweinflaschen und ›Brandy medicinal – extra fine‹. Wer trinkt den heute noch? Und hinter holländischem Kakao von Anno Tobak. Die Schranktüren, die sicherlich seit Jahren nicht mehr geöffnet worden waren, wiesen nicht ein Staubkorn auf. Bei dieser Gelegenheit hat einer tüchtig rein gemacht. Und ich stehe die ganze Zeit in Kontakt mit In terpol und versteife mich auf die Franzosen, die uns ins Netz gegangen sind!«) Dann erzählte er bis ins kleinste Detail, wie jeder Griff von jeder Tür in der verkommenen Woh nung frei von Fingerabdrücken war, vor allem die Türen in der Küche (»ganz im Gegensatz zum allgemeinen Verschmutzungsgrad«). »Das beweist, daß es nicht der Wohnungseigentümer war, der das Bild versteckt hat. Wozu sollte er seine Fingerabdrücke abwischen. Er war ja berechtigterweise in der Wohnung«, faßte er mit nachdenklicher Stimme zusammen.
»Woher willst du das wissen?« argumentierte Eli Bachar. »Vielleicht ist in der Wohnung noch etwas anderes versteckt worden. Oder vielleicht hat er das Bild versteckt, und spä ter kam ein anderer, der etwas anderes suchte und der dann die Fingerabdrücke beseitigt hat?«
»Oberflächlich betrachtet könntest du recht haben«, sagte Balilati und verzog abschätzig den Mund. »Aber ich sage dir, meine Version ist die richtige.«
»Was heißt das: Meine Version ist die richtige ? Wo sind wir hier?« sagte Eli Bachar verbittert und schielte auf Michael, der das Kinn auf die Hand stützte und schwieg.
»Ich sage es dir«, betonte Balilati, »du kannst es mir glau ben.« Er hob den Arm und spreizte die Finger: »Ich erkläre dir noch einmal, daß die Schranktüren blank geputzt wa ren. Wir vergeuden nur unsere Zeit«, sagte er. Er betonte, daß es zwar keine Hinweise auf einen Einbruch in die Wohnung gab, daß seltsamerweise aber keinerlei
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