Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
gleichgültigen Ton, vermischt mit einer Prise Unwillen, als ob er von einer Nebensächlichkeit sprach, zu der ihn jemand gezwungen hatte.
Isi Maschiach stand schwerfällig auf und folgte ihm in den Raum. »Setzen Sie sich«, sagte Michael und deutete auf den schwarzen Chefsessel. »Und ziehen Sie die an.« Seine Worte überschlugen sich förmlich, als er ihm die dün nen Handschuhen reichte, die er von seinen Händen streifte.
Isi Maschiach sah sie verblüfft an.
»Um mögliche Fingerabdrücke nicht zu verwischen«, erklärte Michael, und Isi Maschiach nickte, zog den Goldring ab, legte ihn vorsichtig neben sich und streifte die Handschuhe über. Hinter sich hörte Michael, wie Balilati sich schwerfällig bewegte, und er wußte, daß er sein winziges Aufnahmegerät anstellte.
Im ersten Moment, als Michaels Hände sie vor ihn legten – mit den Fingerspitzen hob er die Bögen und legte sie mit äußerster Behutsamkeit ab –, blieb Isi Maschiachs Gesicht unbewegt. Einige Sekunden vergingen, bis er erstaunt die Brauen hob und sagte:
»Das ... das sieht aus wie ein Originalmanuskript.« Er beugte sich über die Bögen.
»Wie kann man das wissen?« fragte Balilati hinter seiner Schulter.
»Sehen Sie hier«, zeigte Isi Maschiach auf die Linien, die mit Tinte gezeichnet waren. »Sehen Sie das Papier, es ist nicht wie bei einer Partitur, vergleichen Sie es hiermit«, er blätterte in den letzten Seiten der »Trojaner«. »Sehen Sie, wie viele Linien hier gezeichnet sind? Wenn es ein altes Ma nuskript ist, sagen wir aus der Barockzeit, dann gibt es nicht viele Linien. Nur acht Notenlinien. Hier, der Baß, die Bratschen und die Geigen. Und hier«, er legte einen in durchsichtiges Gummi gehüllten Finger auf die Seite, »ist der Baß.« Er befühlte die Ränder des Papiers. »Es ist ziemlich dick und faserig, und hier«, sein Finger schwebte über einem Siegel, »das Siegel einer Bibliothek. Wir brauchen einen Sachverständigen, der uns genau sagen kann, um wel che Bibliothek es sich handelt. Sie scheint italienisch zu sein. Vielleicht sogar venezianisch, ich brauche eine Lupe, um ... Und sehen Sie diese Flecken hier, Rost, und sogar, wenn es eine Fälschung ist ... ist es eine Fälschung?«
Keiner gab ihm eine Antwort auf diese Frage, die er hartnäckig wiederholte.
»Nehmen wir an, es ist keine Fälschung«, kam Michael seiner Frage nach.
»Haben Sie eine Lupe?«
»Wir werden sofort eine Lupe besorgen«, sagte Balilati und verließ den Raum. Die geschlossene Tür erzitterte bei seinem Laufschritt durch den Flur.
»Wenn es ist, was ich denke«, sagte Isi Maschiach mit zittriger Stimme, »und wenn das keine Fälschung ist, wenn es sich wahrhaftig um eine venezianische Bibliothek handelt, könnte es ... es könnte sogar ...« Er sah die Blätter ängstlich an. »Und es stammt aus dem 18. Jahrhundert, wie es scheinbar hier geschrieben steht. Es kann sogar ein ...«, sagte er erneut erschrocken und hob die Augen zu Michael, der neben ihm stand und eine verschlossene Miene bewahrte. Mit großer Vorsicht blätterte Isi Maschiach. »Wenn es echt ist«, sagte er beim Blättern, »dann ist es nicht vollständig. Ein Teil vom Anfang fehlt hier, aber das ist typisch für solche Handschriften, denn sie bestehen aus mehreren Heften. Hier, sehen Sie?« Er hielt die Ecke eines Bogens, der getrennt war von dem hinteren, der noch in der Vertiefung lag, die man in die Partitur der »Trojaner« geschnitten hatte. »Auf jeden Fall bin ich kein autorisierter Sachverständiger, und alles, was ich äußere, ist unverbindlich.«
»Haben Sie diese Noten nie zuvor gesehen?«
Isi Maschiach sah ihn erstaunt an. »Diese Noten? Ich?! Wo hätte ich sie sehen sollen?«
»Was weiß ich, vielleicht bei Gabi?«
»Diese Noten waren nie in unserer Wohnung«, versicherte Isi Maschiach. »Ich hätte sie nicht vergessen«, sagte er erstickt. »Nicht, daß wir nie alte Handschriften zu Hause gehabt hätten. Einmal hat Felix sogar etwas aus dem Ba rock gekauft. Aber es waren nur Etüden. Und es stellte sich heraus, daß sie in einer vierten oder fünften Version kopiert waren. Viel später, schon am Ausgang des Jahrhunderts. Aber so etwas?! Wenn sie echt sind, sind sie ... eines der Weltwunder. Sie sind wertvoll ... sie haben gar keinen Preis«, stieß er aus, als erschrecke er vor sich selbst. »Wie sind Sie daran gekommen?« fragte er.
Michael gab keine Antwort.
»Gehören sie Theo?« fragte Isi beharrlich. »Ich will wissen, ob sie Theo
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