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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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»Es kann auch jemand gewesen sein, der es speziell auf das Bild abgesehen hat. Du hast gehört, was dieser Kriminalbeamte gesagt hat.«
    Michael wollte fragen, was »dieser Kriminalbeamte« genau gesagt hatte, aber seine Frage erübrigte sich, da Theo, der nicht aufhören konnte zu sprechen, so wie er auch nicht aufhören konnte, auf und ab zu laufen, neben der großen Glastür stehenblieb, auf die Hügel schaute, die hinter einem gräulichen Dunst verschwanden, und murmelte: »Ich habe gehört, was er gesagt hat. Aber er hat nur eine Vermutung ausgesprochen. Sie haben ja auch das ganze Geld mitge nommen, die ganzen Dollars und die Gulden, die nicht mehr an ihrem Platz sind. Und sie haben das Haus auf den Kopf gestellt und alle Papiere und den Schmuck mitgenommen und nicht etwa liegengelassen. Wie kommt dieser Polizist überhaupt darauf, uns, uns (!) zu fragen, wo wir vor dem Konzert waren.«
    »Tu mir einen Gefallen, Theo«, sagte Gabriel, »leg den Schlüsselbund irgendwohin, ich kann das Geklapper nicht mehr ertragen.«
    Theo zog die Hände aus den Taschen und legte den kleinen Schlüsselbund, mit dem er ununterbrochen gespielt hatte, auf das Regal. Er trug immer noch die Frackhose, das Jackett hatte er abgelegt. Seine Manschettenknöpfe, in Gold gefaßte Perlen, prangten auf den Rändern der weißen Hemdärmel und funkelten, als er unter der Lampe stand und ab und zu mit den Armen fuchtelte. Er nahm seinen Gang durch den Flur wieder auf, warf einen Blick in Idos Zimmer und sagte: »Glücklich, wer sich seinen Babyschlaf bewahren kann.« Dann marschierte er wieder ins Wohnzimmer.
    »Es ist nicht nur einfach eine Vermutung. Die Frau von der Spurensicherung hat gesagt, daß es ein Profi war, der die Leinwand aus dem Rahmen entfernt hat, daß es jemand mit Erfahrung war«, warf Gabriel nervös ein. Er legte seine Hand auf sein rechtes Lid, das unbeherrscht zuckte. Der grüne Stein funkelte in der letzten Windung seines goldenen Rings. Erst jetzt, aus der Nähe, sah Michael, daß der Ring die Form einer Schlange hatte.
    »Dann ist alles nur wegen des Bildes passiert. Ich habe es schon immer gehaßt«, verkündete Theo, hielt wieder für einen Moment vor der großen Glastür an und starrte nach draußen. »Eine phantastische Aussicht hat diese beschis sene Wohnung, das muß man ihr lassen!« bemerkte er in Richtung Nita, die zusammengekauert in der Sofaecke saß und kein Wort über die Lippen brachte. »Ich habe es immer gehaßt, ich mag diese ganzen Vanitas-Attribute nicht, diese Totenköpfe. Immer winken sie mit ihrem Memento mori, als könne man vergessen, daß man sterblich ist. Ich hasse diese Symbolik, auch wenn das Original tatsächlich schön war.« Er zog die Brille ab und legte sie auf das Kupfertisch chen. Nita stützte ihr Kinn auf die angezogenen Knie. »Wißt ihr noch, wie wir zur Bar-Mizwa* von Gabi nach Amsterdam geflogen sind und das Bild im Rijksmuseum gesehen haben?«
    Gabriel rieb sich die Augen, zupfte an seinem Bart, verbarg sein Gesicht in den Händen und schwieg. Nita hob den Kopf und starrte vor sich hin, als hätte sie seine Worte nicht gehört. »Du kannst dich nicht mehr daran erinnern, du warst erst drei Jahre alt«, sagte Theo zärtlich.
    Wieder fragte Michael sich, warum er an der Küchentür stehenblieb. Ob er nicht überflüssig war, wo alle bei ihr waren? Nachdem er sich mit eigenen Augen überzeugt hatte, wie sie sich um Ido gekümmert hatte, wußte er, daß man sie ruhig allein lassen konnte. In ein paar Stunden würde die Kinderfrau hiersein, und dann würde er das Baby bei ihr lassen und zu seiner täglichen Arbeit an den Migrash Harussim aufbrechen. Dort konnte er durch Zila in Erfahrung bringen, wieviel Balilati schon herausgefunden hatte. Diesen Gedankenfluß brachte er rasch zum Stocken und rief sich in Erinnerung, daß es jetzt Nita war, um die er sich zu kümmern hatte, und sei es nur, weil er in ihrer Schuld stand. Und was mit dem Baby passieren würde, mußte man abwarten. Zweimal fragte er sie leise, als beide an der Wickelkommode standen und er auf ihre Hände schaute, die über Idos Körper glitten, und auf ihre Finger, die über sein Gesicht huschten, ob sie wolle, daß er blieb, oder ob er besser ginge. Sie hatte mit ihrer leeren Stimme zweimal gesagt, er solle bitte bleiben. »Wenn es geht«, hatte sie erschrocken hinzugefügt, für den Fall, daß sie zuviel von ihm verlangte. Dieser Schreck war es, der ihrer Stimme etwas Leben verliehen hatte, wenn auch nur für

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