Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
hieß noch der Typ von der Polizei, Balileti?« sagte Theo und verzog den Mund.
»Balilati«, präzisierte Michael, der zunächst die Absicht hegte, die Diskrepanz zwischen Dani Balilatis Aussehen und seinen Fähigkeiten zu erläutern, jedoch kurzfristig be schloß, es besser zu lassen. Was ging es ihn an, was Theo über Dani Balilati dachte.
»Ich will nicht, daß wir die Schiw'a* sitzen«, sagte Theo unvermittelt. »Ich hasse diese Kondolenzbesuche, und ich glaube auch nicht, daß es uns guttun wird, nun mit dem Arbeiten auszusetzen. Der Kerl wird mich auch nicht dazu zwingen, Verpflichtungen abzusagen, was meint ihr?« Nita reagierte nicht. Sie drehte ihm nicht mal den Kopf zu. Aber Gabriel hob das Gesicht vom Teppich, sah ihn an und hob die Schultern. »Mir ist es gleich«, sagte er schließlich, »was spielt das noch für eine Rolle.«
»Vater haßte die Religiösen und die Religion. Er hätte es nicht gewollt. Er war Atheist und hat diese Zeremonien verabscheut«, behauptete Theo.
»Aber bei Mutter haben wir die Trauerwoche eingehalten«, sagte Gabriel erstickt durch seine Hände, in denen er sein Gesicht verbarg. Er zog die Nase hoch. Theo sah ihn an: »Für Mutter haben wir es gemacht, weil sie die Reli gion nicht so vehement abgelehnt hat. Es ist nicht zu ver gleichen. Für Mutter haben wir es auch getan, um mit Vater zusammenzusein, damit er nicht allein war.« Es herrschte Stille. Theo, der das Schweigen nicht ertragen konnte, sah Nita an, die immer noch völlig erstarrt in ih rer Sofaecke saß. »Du solltest dich ein bißchen hinlegen«, sagte er. »Du bist ganz fertig.« Es fröstelte sie, aber sie lehnte ab. »Sag du es ihr, Gabi«, sagte Theo. »Du hast mehr Einfluß auf sie als ich.«
Gabriel sah Nita an, und Michael folgte seinem Blick. Ihr Gesicht war sehr weiß, und sie zitterte. Das Zittern hörte nicht auf. Sie bebte an Armen und Beinen. Unter ihren Augen waren die Halbmonde dunkler als sonst. Und die Augen selbst waren schwer, wie damals, als Michael sie zum ersten Mal sah. Ihre Haare waren durcheinander, als ob sie sie gerauft hätte, als ob sie die Finger in die Locken gesteckt und damit ihr Haar nach den Seiten gezogen hätte. Wie fremd war ihm der unausgesetzte Drang, jetzt neben ihr zu sitzen und sie in seine Arme nehmen. Wären die Brüder nicht gewesen, hätte er es sicherlich getan. Es waren kaum zwei Wochen vergangen, seit er sie kennengelernt hatte, und schon war er mit ihrem Leben verstrickt. Es war seltsam, einer Frau so nah und doch so fern zu sein.
»Sie wird uns zusammenbrechen, und wir haben noch einen langen Weg vor uns«, warnte Theo. »Außer den Konzerten, die wir nicht annullieren werden, müssen wir die Verhöre dieses Polizisten über uns ergehen lassen, dem jedesmal etwas Neues einfällt, das er uns fragen könnte ...«
Aus dem Kinderzimmer drang ein lauter Schrei. Das Baby war erwacht, und Michael gab ihm im Kinderzimmer die Flasche. Ido bewegte sich in seinem Bettchen, und Michael rechnete aus, wie lange er noch schlafen würde. Er fragte sich, ob Nita in der Lage war, sich um ihn zu kümmern. Bald würde die Kinderfrau kommen, die ihr den Morgen zum Arbeiten freihalten sollte. Nun würde er sie bitten müssen, mit Ido spazierenzugehen. Nita würde heute nicht spielen können, in der Wolke der Erstarrung, in der sie sich befand. Er ging zurück ins Wohnzimmer.
»Er hätte es diesem verrückten Schotten schon vor fünf Jahren verkaufen sollen, keiner hätte ihm mehr dafür geboten«, sagte Theo van Gelden. »Hätte er es verkauft, wäre das alles nicht passiert.«
»Er hat das Geld nicht gebraucht. Das Bild war eine Geldanlage«, rief Gabriel ihm in Erinnerung. Michael wollte mehr über den Schotten wissen und über dessen Angebot, aber er wagte es nicht zu fragen. Er versuchte sich im Hintergrund zu halten und wollte die Tatsache, daß er selbst bei der Polizei arbeitete, so gut wie möglich vertuschen. Als ob das Vertuschen auch die Sache mit dem Baby verbergen würde. Aber Theo sah ihn plötzlich an, als hätte er seine Gedanken gelesen, und sagte: »Nita sagte, Sie sind ein hohes Tier bei der Polizei. Vielleicht können Sie etwas tun.«
»Woran denken Sie?« fragte Michael vorsichtig. »Was er warten Sie von mir?«
»Was weiß ich, Sie könnten vielleicht die Untersuchung beschleunigen, ihn uns vom Leib halten, ihm sagen, er soll uns nicht auf die Nerven gehen. Er will, daß ich in der nächsten Zeit das Land nicht verlasse. Er sagt, daß er uns noch
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