Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
zwei einfachen Schlössern, eins oben und eins unten, jedes mit zwei Schlüs selumdrehungen zu öffnen. Keine Alarmanlage. Sein Sohn meinte, sein Vater hatte ein gestörtes Verhältnis zu Banken und hat sein Bares daheim aufbewahrt. Devisen. Er wollte auch nichts von einer Stahltür wissen. Er war ein Original, der Alte, hast du ihn nicht gekannt?«
Michael schüttelte den Kopf.
Balilati sah auf seine Uhr. »Ich warte auf einen Anruf aus der Schweiz«, erklärte er. »Es ist noch zu früh. Es ist erst zwei Tage her. Wenn sie über alle Berge sind, sind sie vielleicht noch nicht mal dort, wo sie hinwollen. Es wäre kein Problem, das Bild in einem gewöhnlichen Koffer aus dem Land zu schmuggeln, zwischen den Hemden oder in einer Tragetasche.«
»Ich habe ihn, glaube ich, einmal gesehen, vor ein paar Jahren, in seinem Geschäft. Juwal brauchte Gitarrennoten. Später hat er dann aufgehört, Gitarre zu spielen, so wie er aufgehört hat, Flöte zu spielen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie der Alte aussah. Ich habe ihn groß in Erinnerung.«
»Da hast du was verpaßt«, verkündete Balilati stolz. »Er war ein richtiges Original. Ich kannte ihn ganz gut«, sagte er und blinzelte, um sachlich zu klingen, aber er konnte nur mühsam seinen Stolz verbergen. »Schon vor Jahren habe ich ihn in der Loge kennengelernt.«
»In was für einer Loge?«
»Na, in der Loge.« Balilati widmete sich seinem Husten. »In der Freimaurerloge. Er war Ehrenmitglied. Ich gehe seit zwanzig Jahren zu ihren Treffen, wegen meines Vaters. Ich habe den Alten dort regelmäßig getroffen.«
»Ich wußte gar nicht, daß es hier Freimaurer gibt, und schon gar nicht, daß du Mitglied bist ...« staunte Michael.
»Nein, das hast du nicht gewußt«, stimmte Balilati ihm zu. »Es ist kein großes Geheimnis. Es ist nur nicht so, daß ich es überall herumposaune. Aber ich habe auch nie ein Ge heimnis daraus gemacht.«
»Seit zwanzig Jahren?«
»Seit neunzehn Jahren, fast zwanzig.«
»Ich ... für mich ... Ich wußte zwar, daß die Freimaurer bis heute in England aktiv sind. Trotzdem sind sie für mich so etwas wie märchenhafte Gestalten. Etwas, das nach Alexandre Dumas zu Ende ging, oder eigentlich nach Mozart.«
»Was hat Mozart damit zu tun?« wunderte sich Balilati.
»Er war vor zweihundert Jahren Mitglied der Freimaurer in Wien. Kennst du nicht ›Die Zauberflöte‹?«
»Ich habe davon gehört«, sagte Balilati verlegen, »aber sie haben sich in den letzten zweihundert Jahren sehr vergrößert.«
»Seit wann gibt es sie denn in Israel?«
»Ach, schon seit den Briten. Sie haben sie mitgebracht. In Jerusalem gibt es ein paar Logen.«
»Und sie existieren noch heute? Und das funktioniert? Wie sieht es mit jungen Mitgliedern aus? Haben sie Nachwuchs?«
»Natürlich existieren sie«, sagte Balilati beleidigt. »Es gibt dort ein paar Mitglieder in meinem Alter. In meiner Loge sind wir nicht viele, aber immerhin. Einmal im Monat treffen wir uns, pünktlich wie die Maurer.«
»Habt ihr heute auch noch einen Geharnischten, einen Torhüter und all diese Geschichten? Auch Masken? Und Roben? Orden und Bänder?«
»Es gibt einen Aufseher«, sagte Balilati mit distanziertem Ernst, als ob das Gespräch darüber ihm unangenehm wäre, »er läßt nicht jeden rein. Er schaut durch den Spion, und wenn er dich nicht erkennt, mußt du eine Losung sagen. Masken gibt es nicht, wie kommst du auf Masken? Es gibt auch keine Roben, aber wir haben ein besonderes Kleidungsstück, keine Robe, so eine Art Schürze für die, die ein Amt bekleiden, für den Logenmeister. Van Gelden war vor zwei Jahren der Logenmeister. Auch bei uns«, kicherte er plötzlich, »haben wir einen Totenkopf. Er steht auf einem Podest. Damit wir ja nicht vergessen, was wir sind und zu was wir werden. Einmal im Jahr wählen wir einen Logenmeister und auch die anderen, einen Kassenwart, einen Offizier und all das.«
»Ich glaube es einfach nicht«, sagte Michael, der sich beherrschte, um nicht zu grinsen. »Seid ihr nur Männer?«
»Manchmal dürfen wir auch Frauen mitbringen. Zu besonderen Vorträgen. Dann versammeln wir uns im Vortragssaal im unteren Stockwerk. Es gibt sogar mehrere Logen in der Stadt. Eine France Loge, eine Buffalo Loge, es gibt mehrere.«
»Und was macht ihr da genau?« wollte Michael wissen. »Hat es etwas mit Politik zu tun?«
»Keine Politik!« rief Balilati aus, und mit deutlichem Unmut fügte er hinzu: »Wir machen dort dieses und jenes. Es ist ein Verein
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