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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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schien selbst seinen Worten nicht zu glauben. »Er hat an einer Konferenz von Mathematikern oder Informatikern teilgenommen, ich verstehe nichts davon. Danach hat er eine Reise gemacht. Er ist an dem Tag ... an dem Tag, an dem Vater ... oder einen Tag vorher zurückgekommen. Er war in den Niederlanden. Sie müssen wissen, daß Nita sehr schüchtern und verschlossen ist.«
    »Wenn sie zusammengelebt haben, muß er informiert werden«, sagte Michael, »und ich muß natürlich auch mit ihm reden.«
    »Ich werde ihn unterrichten, oder wollen Sie das übernehmen? Man könnte es auch von hier aus versuchen, jetzt gleich«, sagte er und zeigte auf das Telefon.
    Michael hob die Hand zu einer Geste, die Einhalt gebot. »Später, nicht am Telefon. Standen Gabriel und Sie sich nahe?«
    Theo räusperte sich, senkte den Blick, spielte mit seinen Fingern und hob den Kopf. »Es kommt darauf an, was Sie mit ›nah‹ meinen. Als wir klein waren, haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Wir hatten dieselbe Musiklehrerin, Dora Sackheim. Haben Sie von ihr gehört?«
    Michael nickte schwach.
    »Wir haben beide Unterricht bei ihr genommen, aber wir waren sehr verschieden. In den letzten Jahren haben wir nicht sehr viel miteinander zu tun gehabt. Wir hatten ein paar Meinungsverschiedenheiten.«
    »Bestand zwischen Ihnen ein Konkurrenzkampf?« versuchte Michael herauszufinden. »Geschwisterneid?«
    »Geschwisterneid ist übertrieben«, sagte Theo und verzog die Mundwinkel. »Das klingt zu dramatisch. Ich weiß nicht einmal, ob man von Konkurrenzkampf sprechen kann ... Es ist passender, in Begriffen wie Differenzen zu sprechen, unterschiedliche Charaktere, Distanz. Gabi war ein introvertierter Mensch, er war verschlossen. Ich, gut, ich ...« Er lächelte. »Sie wissen ja schon ein wenig über mich.«
    »Er hat also nicht mit Ihnen über die Beziehung zu sei nem Partner, zu Isi, gesprochen? Sie wissen nicht, ob die Be ziehung harmonisch war, oder ob sie sich in der letzten Zeit in einer Krise befand?«
    »Soweit ich weiß, nein«, sagte Theo verlegen. »Ich habe nichts über Probleme zwischen ihnen gehört. Es fällt mir schwer zuzugeben, wie wenig ich über das Privatleben meines Bruders weiß«, sagte er. »In meiner Familie sind alle außer mir sehr unzugänglich. Nur über mich weiß jeder alles«, fügte er in einer Art Beschwerde hinzu, die etwas Affektiertes enthielt, und seine Gesten und seine Ausdrucksweise legten plötzlich offen, wie er auf Menschen im allgemeinen und besonders auf Frauen wirkte. »Und Isi kenne ich kaum ... Ich habe die beiden nicht oft zusammen erlebt. Ich habe Gabi überhaupt nicht oft getroffen, vor allem nicht in der letzten Zeit. Ich war verreist, er war häufig unterwegs, und unsere letzten privaten Treffen waren Vaters Geburtstage oder Mutters Jahrestage.« Er wurde still und sah Michael mit einem verblüfften Blick an. »Sie denken doch nicht an Isi?« winkte er sichtbar schockiert ab. »Daß er daherkommt und ... « Ein kurzes Lachen drang aus sei nem Hals. »Das ist absurd. Richtiger Unsinn, wie in einem schlechten Film.«
    »Sie haben ihn heute nicht hier gesehen?«
    »Nein.«
    »Was ist hinter der Bühne genau passiert. Wo waren Sie, als Gabriel sich hinter der Bühne befand?« fragte Michael wie nebenbei, während er das Cello zurück in den Koffer legte.
    »Ich? Wo ich war?« fragte Theo bestürzt. Er verstummte, als krame er in seinem Gedächtnis. »Ich ... ich glaube, ich war mit der Paukerin zusammen. Ich war bei der Probe nicht mit ihr zufrieden, darum habe ich noch mit ihr gearbeitet ... Wir waren gegen halb zwei mit der Probe fertig, ein Teil der Musiker ist schon gegangen. Ein Teil blieb. Spä ter war ein Treffen von Gabi mit allen möglichen potentiellen Kandidaten für sein Orchester vorgesehen. Er hatte die Bühne verlassen, ohne daß ich es bemerkt habe. Später hat man ihn dann gesucht. Er war verschwunden. Dann ist Nita hinter die Bühne gegangen, gut ... den Rest kennen Sie.«
    »Sind denn hinter der Bühne keine Leute gewesen? Hat niemand etwas gesehen?«
    »Ich weiß es nicht, wirklich nicht«, entschuldigte sich Theo. »Ich war in meine eigenen Angelegenheiten vertieft. Morgen vormittag sollte eine Generalprobe stattfinden. Die Pauke ... ich habe nichts bemerkt.«
    »Sie haben die Bühne die ganze Zeit über nicht verlassen?«
    »Wann meinen Sie? Nach dem Ende der Probe?«
    Michael nickte.
    »Nicht, daß ich wüßte, ich glaube nicht«, zögerte Theo. »Vielleicht nur ... ich

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