Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
habe ihn nur ein paarmal gesehen. Gabi hat nie gesagt: Bitteschön, darf ich dir meinen Liebhaber vorstellen, sondern nur: Das ist Isi. Alles, was ich weiß, ist, daß er Mathematiker ist, höflich und scheinbar sensibel. Er hat auch Ahnung von Musik. Er ist gebildet und spielt Cembalo. Er versteht viel von alter Musik«, fügte er hinzu und verzog den Mund. »Gabi hat mir einmal gesagt, daß er eine Menge von ihm gelernt hat, er sprach von ihm wie von einem Musiker. Aber ich habe ihn nie spielen hören, und mit mir hat er kaum ein Wort gewechselt ... Er hält nicht viel von meiner ...«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. »Man hat mir gesagt, daß Sie hier sind«, sagte Jafa von der Spurensicherung, die ins Zimmer schaute. »Ich dachte, es würde Sie interes sieren ... « , fügte sie hinzu und schaute in Richtung Theo, der stehengeblieben war und sich aufrichtete. Er ließ seine Augen mit geübtem, abschätzendem Blick über ihren Körper gleiten, verweilte kurz in der Leistengegend, die ihre Jeanshose betonte, und sah sie forschend an.
Michael machte ein Zeichen in Richtung Nita, um Jafa zum Schweigen zu bringen, und ging auf die Tür zu. »Von was hält er nicht viel?« fragte er, als seine Hand schon auf dem Türgriff lag.
»Wie bitte?« fragte Theo verwirrt.
»Ich rede von Isi«, sagte Michael beharrlich. »Sie hatten erwähnt, daß er nicht viel von etwas hält. Wovon hält er nicht viel?«
»Ach«, fiel es Theo ein, und er winkte ab. »Es ist unwichtig, er mag meine Interpretationen nicht ... meine Auffassung verschiedener Stücke, vor allem klassischer Stücke, vor allem Mozart und Haydn. Aber auch gegen meine Brahmsinterpretation hat er Einwände. Er hat mir einmal gesagt, daß er mit meinen Trompeten nicht einverstanden ist. Er war der Meinung, man sollte andere Pauken einsetzen. Die, die es zu Brahms' Zeit gab. Vor allem in bezug auf ›Ein Deutsches Requiem‹ hat er sich dahingehend geäußert, aber es hat nichts mit der Sache zu tun ...«
Michael warf einen Blick auf Nita, die regungslos dalag, verließ den Raum und schloß die Tür hinter sich. »Ich dachte, es würde Sie interessieren, daß wir die Untersu chung des Tatorts abgeschlossen haben«, flüsterte Jafa. »Wir haben nichts gefunden. Wir sind dabei, die Büros und den Saal zu durchkämmen. Wir nehmen uns gerade jeden Zentimeter der Bühne und des Saals vor, aber es ist ein großes Areal, und es wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Balilati wartet im Saal auf Sie.«
»Ich komme schon, sagen Sie ihm Bescheid«, bat Michael und spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, als bedeute das Treffen mit Balilati eine große Entscheidung. Er kehrte zurück ins Zimmer und bat Theo, noch ein wenig zu warten: »Später bringen wir Sie nach Hause, schon bald«, versprach er und ging über die Bühne in den Saal.
Von der Bühne aus, die mit Scheinwerfern beleuchtet war und über die die Leute von der Spurensicherung auf den Knien rutschten, alles abtasteten, mit Taschenlampen Punkte anstrahlten und mit Pinzetten kleine Plastikbeutel füllten, schien der Saal dunkel, obwohl auch er beleuchtet war. Unten im Saal knieten ebenfalls Männer zwischen den Reihen, die den Teppich abtasteten. Michael stand am Rand der Bühne und beschattete seine Augen. Erst dann sah er Balilati, der in der letzten Reihe vor den Rängen saß, auf dem vorletzten Sitz der Reihe. Er hatte die Beine über die Vorderreihe gelegt und spielte mit einem Stück Papier. Als Michael auf ihn zuging, erkannte er, daß es ein Kaugummipapier war. Balilatis Kaugeräusche waren schon von weitem zu hören. Balilati legte das Papier auf den Platz zu seiner Linken, richtete sich auf und klopfte auf den leeren Sitz zu seiner Rechten. »Ich habe gehört, daß hier eine Vorstellung gegeben wurde«, sagte er und verschränkte die Arme über seinem Bauch. »Ich habe von durchgeschnittenen Kehlen, Blutlachen und was sonst noch alles läuten hören.«
Michael nickte.
»Die gesamte Presse steht draußen vor der Tür. Immer hin geht es um die van Geldens. Sie bringen schon heute einen großen Artikel darüber in der Zeitung. Eli Bachar hat an jedem Eingang Leute aufgestellt. Sie lassen keinen rein. Das ganze Gebäude gilt als Tatort, oder etwa nicht?«
Michael seufzte.
»Der Herr hat mich rufen lassen«, sagte Balilati und sah ihn an. Der Ausdruck der Zufriedenheit, beinahe der Genugtuung, der in seinen Augen aufleuchtete, ärgerte Michael aus irgendeinem Grund nicht. »Van Gelden,
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