Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
Harussim drang ein entferntes, bedrohliches Dröhnen herauf, ein Chor rhythmischer Stimmen. Sieben Uhr morgens, und die arabischen Frauen aus Sachnin und Nazareth standen bereits rufend vor der Absperrung des Polizeipräsidiums. Die ganze Nacht waren sie auf ihren Bündeln am Zaun gehockt, nachdem sie aus ihren Dörfern gekommen waren, um gegen die Verhaftung ihrer Männer zu protestieren, die an einer Demonstration teilgenommen hat ten: ihre Ehemänner, ihre Brüder, ihre Söhne. Danach gingen die Stimmen in einem Hupkonzert unter, als würden alle Streifenwagen einer nach dem anderen auf die Hupe drücken. Die Erde stand in Flammen, und er beschäftigte sich mit einer Journalistin und einer hässlichen, kleinlichen Geschichte.
Es war nicht am Platz, bei einem so nahe stehenden Menschen Umwegmanöver zu veranstalten. Die Art von Schläue, die Balilati empfahl, war hier nicht angebracht. Er würde nichts damit gewinnen, das Geschehene war ohnehin nicht rückgängig zu machen. Sollte trotz allem noch eine Chance bestehen, die Dinge mit Eli wieder einzurenken, und sei es auch nur der Hauch einer Chance, dann war es besser, es so zu tun, wie es sich gehörte.
»Balilati hat es von seiner Schwägerin gehört, die es von der Cafébesitzerin gehört hat«, sagte Michael also schließlich. »Ich habe keinerlei Absicht, dich einem Verhör zu unterziehen oder Ähnliches. Mit offenen Karten. Ich dachte, dass wir uns nahe stehen, ich wusste nicht, dass ich mich auch vor dir in Acht nehmen muss.«
»Nahe?«, Eli Bachar wiederholte das Wort mit sarkastischer Betonung, »offenbar verstehen wir nicht dasselbe darunter, was Nähe ist, es gibt Leute, die denken, dass man gerade mit dem, der ihnen nahe steht, alles machen kann, ich gehöre nicht dazu. Aber das ist ein anderes Thema, das hat überhaupt nichts damit zu tun ...« Er schwieg einen Moment, tat einen langen Atemzug und stieß schnaubend die Luft aus. Danach drehte er sich um und versetzte dem Fenster einen leichten Stoß, so dass es zuschlug. »Ich werde dir haargenau sagen, wie es passiert ist«, sagte Eli Bachar, »und ich werde dir die ganze Wahrheit sagen. Ich habe nichts zu verbergen, ich hatte nicht die Absicht, dass es so ...« Er rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her.
Michael drückte die Zigarette aus, noch bevor er sie zur Hälfte geraucht hatte. Eli Bachar hatte Probleme mit den Atemwegen, und das Zimmer war bereits von kaltem Rauch erfüllt. Er verschränkte die Arme.
»Sie kam hierher, diese Orli, hat dich gesucht, aber du warst nicht da, ich weiß nicht mehr, wo du warst, vielleicht bei der Mutter von dem Mädchen, vielleicht mit dem Araber von Jigal Chajun ... nein, ich glaube, du hast mit diesem Paar gesprochen, das gegenüber wohnt, der Architekt und die Töpferin, diese Schalevs, oder mit ... egal, ich kann mich nicht erinnern, aber man konnte dich jedenfalls unmöglich stören. Sie kam daher und setzte sich auf den Gang. Ich wollte nicht, dass sie uns so herumrennen sieht und den ganzen Betrieb ... ich ging also zu ihr hin, redete mit ihr, sie bat darum, mich zu einem Verhör begleiten zu dürfen, ich sagte ihr, das könne sie vergessen. Sie sagte, es habe sie eine Beschwerde erreicht wegen einer diskriminierenden Behandlung eines Arabers, sie wisse, dass er Dschalal heißt, und wisse auch, dass er aus Ramallah sei und mit Jigal Chajun zusammen und dass wir ihn verhaftet hätten, weil er keine Aufenthaltsgenehmigung habe, so sagte sie, reine Ausrede. Man habe ihr berichtet, sagte sie, dass du ihn beim Verhör geschlagen und mit Gewalt Angaben aus ihm herausgeholt hättest, nur weil er ein Araber ist, und sie habe außerdem davor schon gewusst, dass du ein harter Typ seist, ›brutal beim Verhör‹, hat sie gesagt. Ich habe gesehen, dass wir da kaum rauskommen, wenn ich ihr nicht etwas gebe ...«
»Ich verstehe nicht«, sagte Michael mit gepresster Stimme – und nun zitterten seine Hände, nicht vor Angst, sondern aus Wut-, »nach all den Jahren zusammen, konntest du nicht kom men und mich fragen? War es schlicht unmöglich zu warten? Hat sie dir derartige Angst eingejagt?«
»Ja, nein, nicht Angst eingejagt, aber ich wollte nicht ...« Eli Bachar blickte zur Seite und seine Augen huschten umher, genau wie Balilati, wenn man ihn bei einer Sünde ertappte. »Wenn ich nicht ... sie sagte, sie würde dich und diese ganze Geschichte mit Im’ad auf jeden Fall in der Reportage erwähnen, und sie hätte auch Beziehungen zum Fernsehen,
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