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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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eine, die ihr im Teppich im Auto ge funden habt?«
    »Ja«, erwiderte Michael, »aber da wussten wir, wer sie ist, niemand hat die Papiere oder die Handtasche verschwinden lassen.«
    »Auch jetzt werden Sie es erfahren«, meinte der Pathologe, »wie lang es auch dauern mag, am Ende werden Sie es wissen, das ist keine von der Straße gewesen. Eine Schande«, murmelte er, »eine Schande. Eine schwangere Frau. Was für eine Vergeudung.«
    »Ja, sicher«, stimmte Michael zu. In der Tiefe seines Herzens gelang es ihm nie, diese Sicherheit in seine Aufklärungsfähigkeit zu spüren, von der er sich einbildete, dass sie das natürliche Be sitztum aller war, die um ihn herum arbeiteten, ganz besonders im Falle Balilatis. Nur mit Imanuel Schorr, der ihn vor achtzehn Jahren davon überzeugt hatte, seine Doktorarbeit in Geschichte im Stich zu lassen und zur Polizei zu wechseln, und der seitdem von der Ermittlungsabteilung zum Oberbefehl über den Bezirk und die ganze Polizei aufgestiegen war, nur mit ihm pflegte er über seine diesbezügliche Panik zu sprechen, und Schorr hörte sich seine Be fürchtungen ernsthaft an, Jahr für Jahr, mit jedem neuen Fall. Und beim letzten Mal hatte Schorr abschließend auch bemerkt: »Ich will dich nicht davon überzeugen, dass es nicht so ist, du weißt, dass es manchmal Dinge gibt, die wir nicht lösen, das muss ich dir nicht erzählen. Aber vielleicht hat es ja auch sein Gutes, dass du nie sicher bist. Vielleicht bewahrt einen das vorm Aufgerieben werden? Wärst du gern wie ... wie Dani Balilati? Mit dir selbst zu frieden, die ganze Zeit? Denn du weißt doch, nicht einmal Balilati ist wirklich glücklich mit sich selber, er tut nur so.«
    Der Gedanke an Balilati hatte jetzt zur Folge, dass er seine Kie fer wieder hart aufeinander presste.
     
    »Was willst du denn?«, hatte Balilati zu ihm gesagt, als sie noch in seinem Büro waren. »Dort treiben sich überall Araber herum, vielleicht haben sie sie vergewaltigt. Wenn du denen nicht ordent lich Angst machst, dann bringst du gar nichts aus ihnen raus. Außerdem, wenn man die Tür offen lässt, kann schließlich jeder rein, oder etwa nicht? Und seit wann soll ich plötzlich so zartbesaitet sein, ja was denn, ich kenne die doch! Ich habe die ganze Zeit die Arbeit mit ihnen, nicht du, bei dir ist das ein Ausnahmef–«
    »Ich wusste gar nicht, dass man das Arbeit nennt«, schnitt ihm Michael kalt das Wort ab, »ich bezeichne das als etwas anderes.«
    »Und wie? Wie nennst du es bitte?«
    »Schändliches Benehmen«, erwiderte Michael.
    »Hörst du dich eigentlich selber?«, ging Balilati zum Angriff über, »schau, wie du mit mir redest, als ob ich irgendein ... was für eine Scheinheiligkeit! Man könnte glatt denken, ich bin noch schuld daran, dass er ein Araber ist! Und wenn er ein Araber ist, darf man ihn nicht verhören? Gleich wirst du eine Beschwerde über mich einreichen, oder wie?«
    »Du weißt, dass er mit den beiden Frauen zusammen war, er hat ein Alibi, er hat sie ...«
    »Red keinen Scheiß!«, schrie Balilati. »Diese linksliberale Heuchelei ist schlimmer als ... Diese Leiche ist schon zwei Tage alt, und wo haben wir sie gefunden? In einem Haus, das er mit seinen Arbeitern renovieren wird, ebenfalls alles Araber, weißt du, dass er einen Arbeitertrupp hat? Und dass alle aus Beit Jala sind? Er war schon in diesem Haus, vielleicht hat er die Leiche sogar vorher gesehen und geschwiegen, um nicht in was hineingezogen zu werden.«
    »Und du«, entgegnete Michael mit wutentbrannter Verzweiflung, »was hast du gemacht? Du hast ihm wirklich beigebracht, dass es besser für ihn ist, in gar nichts hineingezogen zu werden.«
     
    Sein Blick kehrte zu der Leiche zurück. Der Anblick besänftigte seinen Zorn. Seinen Befürchtungen zum Trotz war er sich sicher, dass diese Frau keine von den Verschwundenen war, die niemand vermissen würde. Und sogar falls nicht nach ihr gesucht würde, war klar, dass man mit systematischer Arbeit ohne allzu großen Zeitaufwand zu einer sicheren Identifizierung gelangen würde: eine gepflegte, hübsche junge Frau, die bestimmt nicht obdach los war, eine Frau, die einen ordentlichen Arbeitsplatz, Freunde und Bekannte hatte, nicht irgendeine Prostituierte oder Drogenabhängige.
    »Können Sie die Einnahme irgendwelcher Drogen nachweisen?«, fragte er.
    »Nicht bei dieser Untersuchung«, murmelte der Pathologe und studierte noch einmal aus unmittelbarer Nähe die Arme der Leiche. »Vielleicht bei der Blut- und

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