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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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leidenschaftliches Bestreben aufgeben, »ein für allemal« (wie sie mit aufeinander gepressten Lippen verkündete, was ihrem Gesicht einen fanatischen, fast hässlichen Ausdruck verlieh) die Affäre um jene jemenitischen Kinder aufzuklären, die Ende der Vierzigerjahre zu Adoptionszwecken entführt worden waren.
    Die Konfrontation zwischen ihm und Zohra, die zu Beginn den Anschein unterschiedlicher Anschauungen gehabt hatte, war in ihrer ganzen Schärfe zutage getreten, als er sich mit dem Kapitel der zweiten russischen Einwanderungswelle nach Israel be fasst hatte. Davon ausgehend war er nämlich dazu übergegan gen, die wirtschaftliche Blüte in den Kibbuzim zur Zeit des Zwei ten Weltkriegs zu erforschen, hatte so einiges über die Rolle erfahren, die junge Leute aus der jemenitischen Volksgemeinschaft dabei gespielt hatten, und hatte Zohra davon erzählt. So aufgewühlt war sie damals von der Entdeckung gewesen, dass sie ihn dazu gedrängt hatte, darüber zu schreiben.
    Kein Mensch, so führte sie hitzig an, hätte je zuvor herausgefunden, wie groß der Anteil der Jemeniten an der wirtschaftlichen Entwicklung der Kibbuzim war, in einer Zeit, in der man vermehrt Arbeitskräfte brauchte, um die Bedürfnisse der britischen Armee zu befriedigen. Gemeinsam, so sagte Zohra damals, könnten sie die entsprechenden Fakten sammeln und ein komplettes Buch daraus machen. »Nicht irgendeine langweilige akademische Studie«, hatte sie gesagt, und in ihren Augen brannte diese fanatische Erregung, die ihn in letzter Zeit so tief beunruhigte, »sondern ein echtes Buch, das zeigt, was damals geschah und wie es ablief und wie sie das Ganze geplant haben. Ein wirklich tückischer Plan war das.« Und wieder, wie bei allen Familienmahlzeiten und wöchentlichen Treffen der beiden, erinnerte sie ihn daran, wie wichtig es sei, historische Zeugnisse bekannt zu machen, damit die Pläne der Führenden im Staat, Aschkenasim natürlich, aufgedeckt würden: die jemenitischen Juden nämlich all ihrer Charakteristika zu berauben und sie den osteuropäi schen anzugleichen, bis sie in jeder Hinsicht Sabres geworden seien. »Dieses Buch wird noch mehr Lärm schlagen als das, das du über die Russen geschrieben hast«, versicherte sie ihm, und er verzog abwehrend den Mund; allein der Vergleich zwischen jener Forschungsarbeit über die Beziehungen zwischen Hitler und Stalin, die großen Aufruhr verursacht und ihm einen Namen eingetragen hatte, und dem Kapitel der Absorption »jemenitischer Arbeitskraft« in den Kibbuzim erbitterte ihn. Zohra zog es vor, die mutigen Worte zu ignorieren, die er in einem Interview mit der Londoner Times bei Erscheinen seines Buches gesagt hatte: Nicht nur von Stalins Beziehung zu Britannien spräche er dort, sondern auch über die Juden, die kürzlich aus Russland eingewandert seien, und über ihren Hass auf ihre Vergangenheit. Die nationalistische Presse hatte geschäumt über seine Offenheit. Auch über ihren Part in der israelischen Politik hatte er damals gesprochen, ohne sich um seine Haut zu sorgen, über ihre Tendenz zur extremen Rechten, ihre kapitalistischen Anschauungen und wie sie die Geschichte der Sowjetunion entstellt und neu aus gelegt hatte. Noch Monate nach jenem Interview war er schärfsten Angriffen in ihren Zeitungen ausgesetzt gewesen, erschüttert von Schmähbriefen, die ihm an die Redaktion der Times ge schickt wurden. Selbst Morddrohungen hatte er erhalten. Ob wohl er selbst sehr gut wusste, dass man für die wissenschaftliche Forschung an sich keinen Mut oder intellektuelle Aufrichtigkeit brauchte, sondern nur Ausdauer und langes Sitzvermögen in den Archiven, die in Russland für die Wissenschaftler geöffnet worden waren, wurde er dennoch von Benvenisti ebenso wie von bedeutenden Kollegen im Institut für seinen Mut gelobt. Aber dieses Lob, das Hagars Tiraden für eine Weile verstummen ließ, nützte ihm nichts bei Zohra, die ihn bei Tisch provozierte und ein ums andere Mal verlangte, dass er seinen Mut auch beim jemenitischen Problem unter Beweis stelle. »Das geht uns persönlich etwas an«, argumentierte sie, doch er war davon nicht recht überzeugt. Dass er nicht dazu bereit war, hatte seinen Wert in ihren Augen sicher sinken lassen. Daher rührten auch die Aggressivität und Verachtung, mit denen sie in letzter Zeit zu ihm sprach.
    Nur ein objektiver Mensch, klug und voller Charme wie Ben venisti, würde diese Behauptungen, in die sie sich verbissen hatte, bremsen können. Sie wurden auch

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