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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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erstanden, Neueinwanderer aus Russland haben das Zeug verkauft, es war eine gute Tat, das zu kaufen ...«, hatte er damals unbehaglich gemurmelt.
    »Ach ja? Wirklich?«, spottete Zohra. »Auch die Handtüchersets und die Leintücher aus Hanf, die sie vom Kikar Hamedina mitgebracht hat? Und die Mikrowelle? Das ist schon die dritte, die –«
    »Was kümmert dich das?«, Natanael geriet in Wut, gerade weil auch er diese Einkäufe verabscheute, die kein Maß und Ziel kannten, »was stört es dich, was Hagar kauft?«
    »Es stört mich nicht. Oder sagen wir besser, stört es mich nicht, dass mein großer erfolgreicher Bruder mit einer verheiratet ist, die ... die die Essenz des hässlichen Israelitums ist, sie ist doch der Beweis dafür, dass es so etwas wie ›israelische Kultur‹ überhaupt nicht gibt. Wie, wie soll es denn bitte Geisteskultur in der Gegenwart geben, wenn man so die Vergangenheit verleugnet? Schau doch, wie du in Lüge lebst und ...«
    »Zohra«, knirschte Natanael zwischen den Zähnen, »warum bist du so gemein zu uns? Hagar hilft dir sogar gegen mich in der Museumssache und dem Ganzen und ...«
    »Klar hilft sie mir, und weißt du, warum? Weil sie jetzt das Sil berbesteck und die Stickereien von Mama möchte, deswegen. Das ist alles, was sie interessiert, Mama diese ganzen Sachen rauszulocken, bevor ... solange Mama noch am Leben ist, so dass ich sie nicht kriege. Damit ich mich dann auch noch freuen muss, wenn man sie ihr gibt, deswegen.«
    »Das reicht«, Natanael hielt sich protestierend mit beiden Händen die Ohren zu, »ich will nichts mehr hören.« Und als er sah, dass Zohra nicht die Absicht hatte aufzuhören, wechselte er das Thema zu Sukkot: Nicht nur fand er sich mit dem Gesangs abend ab, er sprach auch noch darüber, als wollte er ihn wirk lich, obwohl er weder das Lied kannte, das sie sich als Eröffnung gedacht hatte und ihm vorsummte, noch die weiteren, die sie erwähnte. Aber »Im Schatten der Laubhütte« kannte er zumindest, seine Großmutter hatte es immer gesungen (»sie hat es dir vorgesungen, als du klein warst, Mama hat’s mir erzählt«).
     
    »Vielleicht haben meine Eltern Recht«, hatte er zu Linda nach jenem Treffen gesagt, »vielleicht sollte man einen jungen Mann für sie finden, der sie zur Besinnung bringt, der dieser ganzen Hitzköpfigkeit ein Ende setzt. Soll sie heiraten und Kinder kriegen und aufhören, einem auf den Geist zu gehen.«
    »Wie redest du denn, Natanael?«, protestierte Linda und gab ihm einen Nasenstüber. Dann meinte sie, man müsse Zohra davon überzeugen, wie wichtig das Studium an der Universität von Indiana für sie wäre, sie daran erinnern, wie schade es wäre, wenn ihr Talent verloren ginge.
    »Schade ist nicht das richtige Wort«, meinte Natanael nachdenklich, »es ist wirklich ein Verbrechen, diese Vergeudung.«
    Also beschloss Linda, dass mit seinem Vater geredet werden müsste, und falls er nicht einverstanden wäre, Zohras Studien zu finanzieren, müsste ein Kredit aufgenommen werden. In dem schnellen Englisch, in das sie verfiel, sagte sie, dass das Problem damit anfinge, dass die Eltern nicht bereit seien, sich von ihrem Nesthäkchen zu trennen, doch es sei klar, dass man sie nicht weiter bei ihnen wohnen lassen dürfe. Das sei sonnenklar. Denn sie würden sie einfach verrückt machen, und in der letzten Zeit gelänge es nicht einmal mehr ihr, Linda, die Zohra von allen am nächsten stand, mit ihr wirklich zu reden, sie war wie vom Teufel besessen. Wenn dieses ganze Gefasel über die Jemeniten nicht wäre, könnte man meinen, Zohra wäre unglücklich verliebt oder hätte eine Affäre mit einem verheirateten Mann, und bei näherer Überlegung, ja doch, sie beginne zu glauben, dass es wirklich so sei, dass Zohra irgendeine unglückliche Liebe verheimliche.
     
    Ausgerechnet Zohra war es zu verdanken, dass er und Linda sich näher gekommen waren. Im Alter von dreizehn, als Zohra noch ein linkisches Pummelchen mit ständig zerzaustem Haar und einem pickelübersäten Kinn war, hütete sie im Laufe des Sommers Lindas Zwillinge und verliebte sich in sie, und mehr noch verliebte sie sich in ihre Mutter. Linda war die Erste, die ihre musikalische Begabung ernst nahm, und schon in der Mitte jenes Sommers kam sie zu Natanael – »denn mit deinen Eltern ist schwer zu reden«, sagte sie mit ihrem rollenden R – und schwor, nicht lockerzulassen, bevor sie das Mädchen nicht zu einem ernst zu nehmenden Lehrer geschickt hätten, denn »ein solches

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