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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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wirklich erheitere, dagegenhielt, dass doch gerade er, als Historiker, an der Aufdeckung der Vergangenheit interessiert sein müsste. »Das heißt, falls du Geschichte liebst«, hatte sie gestichelt, »denn vielleicht ist russische Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts nicht direkt Geschichte, vielleicht ist dir ja was ganz anderes wichtig ...«
    »Was? Was anderes?«, hatte er sie gefragt. Doch sie hatte ihren Kopf abgewandt und gesagt: »Vergiss es, egal«, und all sein Drän gen, ihm ihre Worte zu erklären, blieb zwecklos.
    In den letzten Monaten hatten ihre Begegnungen immer mit einer bitteren Note geendet, nachdem sie auf ihrer Linie be harrte – ihrem eigenen Weg, wie sie es nannte – und mit zunehmender Schärfe bemerkte, dass ihn »diese Aschkenasierung« am Ende noch teuer zu stehen kommen würde. Ständig hatte sie ihn mit skeptischem Blick angesehen, und manchmal war die Skepsis Spott gewichen, der in Zorn umschlug, wenn sie ihn wieder nach der »großen Zohra« fragte, als ob er mehr darüber gewusst hätte als sie. Bei ihrem letzten Treffen, vergangenen Donnerstag, hielt sie ihm einen Vortrag über die große Bedeutung eines MiniKonzerts – ihre Bezeichnung für ihren Gesangsabend –, das am heutigen Feiertag in der Synagoge stattfinden würde. Mit wild entschlossener Begeisterung erklärte sie ihm ihre Theorie über das graduelle Einbringen der jemenitischen Kultur »auf dem Wege emotionaler Erfahrung, ja, so, dass es starke Gefühle weckt, zu Herzen geht und bei allen Neugier auf diese kulturelle Welt erwachen lässt, die fast ganz verloren gegangen ist«. Zohra gab sich keine Mühe zu erklären, weshalb es überhaupt wichtig war, jene Welt wiederzubeleben, und ausgerechnet für Aschkenasim westeuropäischer Herkunft, die in diesem Viertel nun vorherrschten, aus dem Zohra noch nie herausgekommen war; und Natanael, für den familiäre Bindungen von großer Wichtigkeit waren, befürchtete, diese Gespräche würden in sinnlose Wortgefechte ausarten, und bestand nicht weiter auf einer weiteren Erklärung ihrerseits.
    Wieder sah er auf seine Uhr und dann zur Ecke der Naftalistraße, und wieder huschte sein Blick zu dem braunen Tor gegenüber – der silberne Rover parkte noch immer davor. Er beschloss, seine Schwester mit Benvenisti bekannt zu machen, in dem er jahrelang den geistigen Mentor und Wegbereiter seines Lebens gesehen hatte. Am Abend von Rosch Haschana, als er Benvenisti wie alle Jahre seinen Besuch abstattete, war ihm das Zittern der Hände des Professors aufgefallen, der noch keine siebzig war, jedoch bereits aussah, als sei er unverhofft der Vergreisung anheim gefallen. Da hatte ihn nagende Sorge gepackt: Was würde aus ihm, wenn sich jener von der Leitung des Instituts zurückzöge, oder wenn ihm, Gott bewahre, etwas zustoßen sollte und dann sofort die ganze Horde der jungen Erben, größtenteils russische Muttersprachler, losstürzte? Benvenisti hatte Natanael, als er Student in den Erstsemestern war, das Russische nahe gebracht, hatte ihn beeinflusst, sich auf die russische Geschichte des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts zu spezialisieren, und hatte ihn in seinem dritten Studienjahr zu seinem Lehrassistenten ernannt. Er hatte ihn dazu verführt – und zwar tatsächlich, mit Komplimenten und Schmeicheleien, mit dem Versprechen einer glänzenden Karriere auf einem Gebiet, das damals noch in den Kinderschuhen steckte, wobei Benvenisti selbst davon nicht unerheblich profitiert hatte –, seinen Weg zu beschreiten und ihn beim Aufbau des Instituts für russische Studien zu unterstützen, an dessen Spitze er einmal stehen sollte. Jetzt, wenn ihm, Gott bewahre, etwas zustieße, wäre Natanael, sein alter Stellvertreter, gezwungen, ohne jede Hilfestellung um seinen Platz zu kämpfen. Aber das war jetzt nicht das Thema, sondern Zohra; wenn er sie mit Benvenisti zusammenbrächte, vielleicht würde sie dann die seltsame Wahl, die er in seiner Jugend getroffen hatte, verstehen oder wenigstens respektieren und aufhören, ihn der Aschkenasierung zu beschuldigen. Und darüber hinaus, wenn der Professor ihren Plänen, Zeugnisse von Menschen zu sammeln, die den Anfang der jemenitischen Immigration in Israel miterlebt hatten, Aufmerksamkeit schenkte, vielleicht würde sie dann ihre Hände von der Kineret-Affäre lassen, jener landwirtschaftlichen Siedlung, die ihre Jemeniten in den Dreißigerjahren vertrieben hatte. Unter seinem persönlichen Charme würde sie vielleicht auch ihr

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