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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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hatte, dass er nur ein wenig spazieren gegangen sei, weil er nicht hatte einschlafen können. Und damit die Geschichte an Glaubwürdigkeit gewann, hatte er ihr auch erzählt, wie er da bei dann David Baruch, seinen alten Freund aus Kindertagen, getroffen habe und wie sie beide auf früher zu sprechen kamen und dabei die Zeit vergaßen. Jetzt, während er auf Zohra wartete, klangen ihm Hagars giftige Bemerkungen in den Ohren, die schwor, dass sie sich nie verzeihen würde, seinerzeit zugestimmt zu haben, dass er Geschichte studierte und noch dazu russische Geschichte, anstatt diverse Erfolg versprechende Möglichkeiten auszuprobieren, die ihm damals offen standen, als sie beide aus der Armee entlassen wurden. (»Alles deswegen, weil du nicht der Sohn von Jemeniten sein willst, denn wie kann man sonst das Ge biet erklären, das du dir ausgesucht hast?« Und sofort ließ sie auch wieder ihr altes Klagelied vom »schicksalhaften Verzicht« auf ein Wirtschaftsstudium los. »Du hättest heute in hoher Position in der Israel-Bank oder wenigstens in einer Hightech-Firma sein können, und alle unsere Probleme wären gelöst«, was sie auch auf dem Höhepunkt des Streits heute Morgen gesagt hatte, der mit der Frage begonnen hatte, wer an der Reihe war, die Einkäufe für die Feiertage zu machen.)
    Hagar war es, die Zohra ermutigt hatte, auf ihren Plänen zu beharren. Sie war ihr in der letzten Auseinandersetzung zur Seite gestanden, bei der sie, um ihm eins auszuwischen, nicht gezögert hatte, die Gemeindemitglieder gegen ihn aufzuhetzen und sogar die Frauen vom »Komitee für den anderen« zu mobilisieren, dass sie ihn bedrängen sollten, sie am Festabend traditionelle jemeni tische Lieder singen zu lassen. Mit jedem Mal brachte ihn Zoh ras jemenitische Bindung mehr auf, die so sehr im Gegensatz zu der Öffnung stand, auf die er hinarbeitete, damit die Synagoge eine Art Schmelztiegel des Viertels würde, der die trennenden Grenzen zwischen den ethnischen Gemeinschaften verwischte. Es war sehr seltsam, wirklich höchst seltsam – er blickte wieder auf seine Uhr und dann die nahezu leere Straße hinunter –, dass ein junges Mädchen, hübsch und begabt wie Zohra, sich die ganzen letzten Jahre in die Erforschung der Familienvergangenheit ver tieft hatte. Und mit dieser Stimme, die sie hatte, versteifte sie sich darauf – statt dem Drängen der Agenten und Musiker nachzugeben, die sie gehört hatten und schon von einem Soloauftritt oder einer Schallplatte sprachen –, Lieder aus dem Jemen zu singen, wo sie nie im Leben gewesen war. Lieder, die sie alle von ihrer Großmutter gelernt hatte, die an Feiertagen und bei Familienfesten zu singen pflegte. Es fiel schwer, darin keinen Ausdruck von Missfallen – vielleicht sogar eine tief greifende Auflehnung – gegen seine Lebensweise zu sehen, und genau genommen gegen ihn selbst. Komisch, dass Zohra ausgerechnet von seiner Frau gelernt hatte, ein ums andere Mal auf Natanaels schwache Stelle zu treffen, und ihn mit Ausdrücken bewarf, die sie von Hagar gelernt hatte, über all seine Versuche, »sich zu aschkenasieren«. Ausgerechnet Zohra, die praktisch er großgezogen hatte, der er in ihrer Kindheit stundenlang Geschichten vorgelesen und ihr später bei den Hausaufgaben geholfen hatte, mit der er stundenlang über die verschiedensten wichtigen Themen geredet hatte, um ihren Horizont zu erweitern – nach Ansicht ihrer Eltern war es die einzige Bestimmung einer Frau, zu heiraten und zu gebären –, ausgerechnet sie hatte plötzlich angefangen, in den ganzen Familiengeschichten herumzuwühlen, die er zu verdrängen und zu begraben suchte. Als er zu ihr gesagt hatte, »ethnische Zugehörigkeit ist in unserer heutigen Zeit nicht mehr von Bedeutung«, hatte Zohra wütend darauf erwidert, dass sein ganzer Lebenslauf und seine Position doch das genaue Gegenteil illustrierten; jawohl, denn was für ein hoher Preis war ihm letztendlich abverlangt worden, um von seinen bescheidenen Wurzeln aus »die Rangleiter der israelischen Gesellschaft hochzuklettern?«. So hatte sie es zu seiner Verblüffung formuliert.
    »Es gibt heutzutage keine Diskriminierung mehr auf Grund der Abstammung«, hatte Natanael ihr erklärt, »was hinsichtlich unserer Eltern zutraf, ist jetzt ein kompletter Anachronismus. Wozu soll dieses Herumstochern, dieses ganze Gewühle in alten Tragödien, gut sein?«, hatte er sie bei ihrem Treffen vor einer Woche gefragt. Worauf sie, nachdem sie gesagt hatte, dass er sie

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