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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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dass ihre Nachbarn menschlicher würden, wenn sie erst einmal ein Kind hätten, doch auch nach der Geburt ihres einziges Sohnes Joram (ein Jahr, bevor Zohra geboren wurde) hörten die Streitigkeiten zwischen den beiden Häusern nicht auf. Ihren Höhepunkt erreichten sie an dem Tag, als Frau Benesch seiner Mutter ins Gesicht schleuderte: »Bei uns ist man imstande, an die Zukunft zu denken, Kinder machen wie die Tiere kann jeder. So sind sie. Aus den Höhlen heraus haben sie sie geholt. Von den Bäumen herunter. Asiaten. Wenn sie nicht« – Klara Benesch redete seine Mutter niemals direkt an, sondern immer zu einem unsichtbaren Publikum – »diese ganzen Kinder hätte, bräuchte sie auch nicht mehr Platz.« Diese Worte verzieh ihr Natanaels Mutter nie, und sie zitierte sie immer wieder vor ihren Kindern und verbot ihnen, unter Schwur und Eid, mit den Bewohnern des Nachbarhauses zu reden, daran vorbeizugehen und sogar von ihrem Hof oder vom Fenster aus hinzuschauen.
    Bis seine Kinder auf die Welt kamen, hatte Natanael keine ernsthaften Sorgen gekannt. Von dem Tag an jedoch, als der Erste geboren wurde, auch als sie größer und schließlich fast schon erwachsen geworden waren, und vor allem jetzt, da zwei seiner Söhne Militärdienst machten, befand er sich im Zustand permanenter Unruhe. Nur an den Schabbatabenden, an denen alle zum gemeinsamen Familienmahl zusammenkamen und er mit den Augen seine kleine Herde abzählte, war er kurzfristig beruhigt, bis ihm seine Schwester und seine Brüder, seine Eltern und Linda einfielen oder schlicht jeder, der in seinem Leben eine Bedeutung hatte und von dem er nicht wusste, wo er sich befand. Als er nun aus dem Laden des Schlachters trat – Mosche sperrte ihm die Tür auf und schloss sie schleunigst wieder ab hinter ihm, ehe ein weiterer Kunde kam –, lauschte Natanael bang dem fern rollenden Donner. Einen Augenblick befürchtete er, es wären Schüsse, doch gleich darauf ballten sich Wolken am Himmel, senkten sich schwer auf die hohen Zypressen mit ihren zerrupften Kronen herab, und graue Düsternis breitete sich aus. Eine lange Autoschlange schob sich vor der Geschäftszeile an der Bethlehemer Landstraße entlang. In einer Stunde begann Sukkot, und der Regen würde in die Laubhütten dringen und ihr Festessen ruinieren.
    Im Eingang des Lebensmittelladens stand Nissim, rieb sich die Hände und schaute frohlockend zum Himmel hinauf. Die Narzissen im Garten hätten schon begonnen herauszukommen, verkündete er Natanael: »Nach denen kann man praktisch die Uhr stellen.« Wenn sich nur die Regenfälle nicht verspäteten, so wie im vergangenen Jahr, dann würden auch die Veilchen zu sprießen anfangen.
    »Juden«, sagte Natanael zu ihm, »nie sind sie zufrieden. Gib ihnen Regen, und sie sagen ›zu früh, es regnet in die Laubhütten hinein‹. Gib ihnen keinen, und sie fangen an, über die Dürre zu lamentieren.«
    Nissim lächelte, und nachdem er ihn einen Moment angeblickt hatte, sagte er, dass er schon seit langem die Absicht habe, ihn etwas zu fragen, sozusagen in seiner Eigenschaft als Universi tätsprofessor: Ob ihm schon jemals aufgefallen sei, dass es immer einen Zusammenhang zwischen der politischen Lage und den Jahreszeiten gäbe, denn er, Nissim, obgleich er nur ein Ladenbesitzer sei, habe beobachtet, dass Kriege hierzulande immer im Sommer oder Herbst ausbrächen. Obwohl das eine selbstverständliche Tatsache war, gab Natanael zurück, dass dies eine be deutsame und interessante Analyse sei. »Sagen Sie mal«, fiel Nis sim plötzlich ein, »wo ist Ihre Schwester Zohra? Schon seit drei Tagen hebe ich diesen Wein für sie auf, den sie bestellt hat, ich habe ihn eigens für sie besorgt, seit Dienstag habe ich ihn ihr reserviert, aber sie ist ihn nicht abholen gekommen.«
    »Sie haben sie heute nicht gesehen?«, erschrak Natanael.
    »Weder heute noch gestern, ich dachte, sie sei verreist. Wollen Sie ihn für sie mitnehmen? Denn falls nicht, da habe ich jemanden, dem ich ihn geben kann, glauben Sie mir, kein Problem, das ist ein Merlot aus Jordanien, Jahrgang 97, preisgekrönt, Joram Benesch braucht nur mitzukriegen, dass ich so was habe, und er nimmt ihn auf der Stelle.«
    »Geben Sie ihn mir, ich werde sie heute sehen«, antwortete Na tanael, und dann, mit der Flasche in der Hand, ging er mit langsamen Schritten von der Bethlehemer Landstraße nach Hause.
    Vor der Tür, die ein Keramiktäfelchen mit ihrem Namen zierte, als seien sie noch eine glückliche Familie, hörte

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