Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
Verbrecher und auch Rechtsanwälte, alles, was du willst, gibt es hier. Rumänen, Deutsche, Pe ace-now und Ultra-Orthodoxe von der Schas-Partei und auch aus Amerika, sogar Bulgaren.«
»Warum sogar?«
»Es gibt nicht viele in Jerusalem«, erklärte Eli Bachar, »sie sind mehr zur Küste rüber gegangen, nach Jafo, aber hier ... hier gibt’s welche.«
»Schöne Häuser sind das, aber es ist weit, oder nicht?«
»Weit von was?«, fragte Eli Bachar.
»Weit vom Zentrum, von der Arbeit, von ...«
»Was redest du denn da«, unterbrach ihn Eli, »weißt du, was hier eine Wohnung kostet? Das ist ein zentrales Viertel, eines der wichtigsten von Jerusalem, sogar wenn es am Rand ist. So ist das mit dieser Stadt«, seufzte er, als er die Wagentür zuschlug, »das Zentrum ist tot, und was wichtig ist, befindet sich an den Rän dern, man schaue sich nur die Läden in der Emek Refa’im und an der Bethlehemer Landstraße an – alles gibt es da, man kann es hier locker ein Jahr aushalten, ohne ins Stadtzentrum zu müssen.« Und er berührte Michael am Arm: »Oder etwa nicht?«
»Nicht jetzt, Eli«, sagte Michael, »nachher, wir müssen rein und anfangen, sie warten. Und du«, er blickte Zila und den Bascharis nach, die langsam den Weg zum Hauseingang entlangtrotteten, »du fährst ins Büro zurück.«
»Ich fahre ins Büro zurück. Zurück ins Büro und was? Die Brüder auftreiben?«, fragte Eli unwillig.
»Und du rufst uns an und sagst uns, was los ist«, fügte Michael hinzu.
»Zu Befehl, Herr Inspektor«, sagte Eli aufgebracht, »das kann Stunden dauern.«
»Warum bist du so ungeduldig? Ich dachte, ihr hattet einen wunderbaren Urlaub, Zila hat gesagt, eure Batterien seien ganz aufgetankt. Warum entspannst du dich nicht? In dem Moment, in dem die Brüder bei dir sind, sagst du einfach Bescheid, bringst sie her, zu ihren Eltern, oder eben nicht.« Einen Moment blickte er Eli an und klopfte ihm dann auf die Schulter: »Du weißt, dass Ja’ir zu jung ist, um das selber ganz allein zu machen.«
»Gründe gibt es immer«, erwiderte Eli Bachar, »aber was dabei rauskommt, ist, dass immer ich nicht recht im Bilde bin, dass ich im Abseits stehe. Du hast keine Ahnung, wie gestrichen voll ich die Nase davon habe.«
»Manchmal ist das Abseits ja das Zentrum«, bemerkte Michael, »ich warte auf deine Nachricht.«
Als sich die Adresse des Ehepaars Baschari herausgestellt hatte, ignorierte Michael Balilatis Ausdruck, der ihm ins Gesicht geschrieben stand, dieses »ich hab’s dir ja gesagt«. Statt ihn darauf hinzuweisen, dass seine Vorwürfe wegen des überstürzten Wohnungskaufes und die eventuelle Wohnung der Ermordeten, die sich zwei Straßen weiter befand, in keinerlei Zusammenhang standen, sagte er: »Bisher sind wir noch keinen Schritt weiter.«
Balilatis extreme Empfindlichkeit in allem, was andeutungsweise Kritik an seiner Effektivität erkennen ließ, führte dazu, dass er das Wohnungsthema sofort fallen ließ und knurrte: »Was hättest du denn gern gehabt? Dass ich anhand des Kleids he rausfinde, wer sie ist? Ja was, ist das vielleicht ein einmaliges Mo dell von einem französischen Modeatelier? Und außerdem, wenn du noch ein paar Tage gewartet hättest, hätte ich selbst das geschafft.«
Als Balilati von Ne’ima Baschari, noch vor der endgültigen Identifizierung, den Namen des Rechtsanwalts Rosenstein vernahm, in dessen Kanzlei Zohra arbeitete, seit sie aus der Armee entlassen war, ließ er von allen anderen Themen ab und sagte: »Rosenstein? Kenn ich, sicher kenn ich den, wie kann man den als Jerusalemer nicht kennen? Er hat einen Palast in der Markusstraße, oder? Gegenüber vom Theater ...« Er grinste freudlos. »Mit einer Rundfassade und Fenstern in Kaufhausgröße, bei dem hat sie gearbeitet?« Und in dem Moment, in dem Ezra Baschari das Bewusstsein verlor, rief er den Rechtsanwalt Rosenstein an und teilte ihm ohne weitere Einleitung mit, dass Zohra Baschari tot war.
Am anderen Ende der Leitung waren schnelle, schwere Atemgeräusche zu hören. »Ich kann es nicht glauben«, flüsterte der Rechtsanwalt schließlich, »ich glaube es einfach nicht. Ein Mord? Sind Sie sicher?«
»Wir haben die Identifizierung abgeschlossen«, versicherte Balilati, »die Eltern haben sie identifiziert. Es besteht kein Zweifel.«
»Ich glaube es nicht ... ich verstehe das nicht ... wer würde denn ... ein terroristischer Hintergrund?«
Balilati schwieg und wartete.
Der Rechtsanwalt fuhr fort: »Oder sexuell? Welches
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