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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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und habe noch keine Gelegenheit dazu gehabt. Die ganze Zeit schon hielt sich das dicke Mädchen wieder an seiner Hand fest und schaute beständig auf ihren Hund, der an der Leine zerrte.
    »Darf ich dich etwas fragen?«, sagte Michael leise. Er beugte sich zu ihr hinunter, bis seine Augen direkt in ihre gelb geränderten Pupillen blickten.
    Ihr Adamsapfel wanderte auf und ab, und ihre Lippen zitter ten leicht.
    »Vielleicht kannst du uns helfen, wirklich.«
    Sie zuckte schwach die Achseln und blickte ihn erwartungsvoll an.
    »Du wohnst hier, in der Straße?«, fragte er.
    Sie nickte und deutete auf den nahen Wohnblock.
    »Das ist direkt gegenüber, dann hast du sicher oft mit Zohra geredet?«
    »Nicht so viel«, flüsterte sie mit belegter Stimme.
    »Aber du hast sie gut gekannt?«
    Sie nickte wieder, wobei ihre Augen Peter um Bestätigung baten.
    »Das ist o.k., Nesjale«, meinte Peter zu ihr und ermutigte sie mit einem Blick. Er versicherte ihr auch, dass »dieser Herr« ihr nichts Böses tun würde, und Michael erklärte er, sie sei die kleine Schwester von Jigal, »my mate«, wie er sagte.
    Michael nickte, und ihm fielen die Dinge ein, die Eli Bachar ihm über den Jerusalemer Elektriker und seinen australischen Lebensgefährten erzählt hatte.
    »Nesja, she sees things«, erklärte er Michael stolz, als ob er sie selbst großgezogen hätte, »es gibt solche Kinder, die sehen können, nicht?«
    »Sicher gibt es die«, erwiderte Michael und heftete seinen Blick wieder auf Nesja, »dann hast du Zohra Baschari bestimmt oft gesehen?«
    »Frau Josselson sagt, dass sie tot ist«, brachte Nesja heiser heraus.
    »Das stimmt, zu meinem großen Bedauern«, antwortete Michael, und mit ernstem, strengem Gesichtsausdruck sagte er zu ihr: »Und ich dachte, dass du uns helfen könntest.«
    Er sah das Entsetzen in ihren Augen. »Ich frage nur, ob du sie gesehen hast«, sagte er, »am Sonntag oder Montag, hast du sie da gesehen?«
    Das Mädchen schlug die Augen nieder, besann sich einen Augenblick, und danach hob sie den Kopf und sagte: »Ja, am Montag, in der Früh, als ich mit Rosi rausgegangen bin.« Sie schaute ihren Hund an.
    »Erinnerst du dich auch an die Zeit?« Er blickte auf die rosa Mickey-Mouse-Uhr, die unter dem Ärmel des Trainingsanzugs hervorlugte.
    »Ich weiß nicht genau«, sagte sie in wehleidigem Ton, »früh. Mama war schon zur Arbeit gegangen. Rosi wollte raus.«
    »Vor acht Uhr morgens?«
    Das Mädchen nickte. »Vorher, vielleicht sieben«, schickte sie mit schwacher Stimme nach, »ein Taxi hat sie abgeholt.«
    »Zohra?«
    »Ja.«
    »Hast du mit ihr geredet?«
    Langsam bewegte das Mädchen ihren Kopf von einer Seite auf die andere.
    »Ist sie in das Taxi eingestiegen? Und hast du sie da zum letzten Mal gesehen?«
    Das Mädchen zögerte. »Nein, danach hab ich sie nicht mehr gesehen.«
    »Vielleicht«, sagte Michael im Ton von jemandem, der gerade auf eine wunderbare neue Idee gekommen ist, »vielleicht erinnerst du dich, was sie angehabt hat?«
    Das Mädchen nickte, aber sie blieb stumm und rupfte am Saum ihres Ärmels.
    »Kannst du mir erzählen, was sie anhatte?«, probierte er es wieder.
    »Diesen Mantel ... er war so blau«, sie stockte. »Schön, und ohne Knöpfe – so irgendwie offen.«
    »Und unter dem Mantel?«
    »War vielleicht was Rotes?«, murmelte das Mädchen und ein Zittern durchlief sie.
    »Erinnerst du dich, ob sie eine Handtasche hatte?«
    Er betrachtete ihre Hände, die nun zu zittern anfingen.
    »Hab ich nicht gesehen«, flüsterte sie, »aber immer ... eine große schwarze Tasche, groß.«
    »Und das Kleid hast du auch gesehen?«
    »Hosen«, sagte sie plötzlich mit Bestimmtheit, »eine schwarze Hose, aus Samt, unter dem Mantel. Und Stiefel, mit Absatz. Lack.«
    »Schwarze Hosen, schwarze Stiefel, einen blauen Mantel und eine schwarze Tasche?«
    »Und auch«, sie deutete in Richtung des Halses, »das war rot«, und bedeckte sofort ihre eine Hand mit der anderen, wie um das Zittern zu verbergen.
    »Und danach hast du sie nicht mehr gesehen?«
    Das Mädchen bewegte verneinend den Kopf von einer Seite zur anderen.
    »Aber normalerweise hast du sie später noch gesehen?«
    Das Mädchen nickte.
    »Jeden Tag?«
    »Nicht jeden, bloß wenn ... wenn sie gegangen oder gekom men ist«, ein Anflug von Stolz schlich sich in ihre Stimme.
    »Hast du mit ihr geredet?«
    Das Mädchen schüttelte wieder den Kopf und biss sich auf die Unterlippe. »Nein«, flüsterte sie, »sie ... sie war nicht ... ich

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