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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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dem Moment, in dem sich die doppelte Glastür öffnete, wurden sie von einigen Jeschivastudenten empfangen, die sich dicht neben Rubin stellten und Schilder schwenkten. »Getaufter Zionist!«, »Verderber Israels!«, stand in großen, schwarzen Buchstaben darauf und in Rot: »Das Fernsehen vergießt unser Blut!«
    »Alles Verrückte hier«, sagte Alon, »diese ganze Stadt ist verrückt und auch der ganze Staat.«
    Rubin kam wieder herein und blickte seufzend auf seine Hände. Dann sah er auf die Uhr und sagte zu den dreien hinter der Theke: »Ich muss zu Benni Mejuchas gehen, man kann ihn unmöglich allein lassen. Wenn Zadik mich sucht, soll er mich per Beeper benachrichtigen.«
    Michael blickte zu dem Monitor, der gegenüber der Wächtertheke hing, auf dem MTV ausgestrahlt wurde: Ein Junge mit nacktem, von Wassertropfen gesprenkeltem Oberkörper küsste ein weinendes Mädchen. Fünf Jungen sangen im Hintergrund dazu, und obwohl es sehr leise lief, hörte man ihren Chor: Could You Be My Girlfriend.
    Diese Klänge begleiteten Michael, als er die Treppe zum Nachrichtenraum hinaufging.
     
    *
     
    Auf dem Gang in der ersten Etage stand Schraiber, der Kameramann, mit dem Rücken zu der Zimmerreihe und trommelte mit den Fingern nervös aufs Geländer. Auf dem Weg zum Nachrichtenraum kam Michael an einem Zimmer vorbei, dessen Tür halb offen stand. Er spähte hinein und sah Natascha, die mit dem Rücken zum Eingang vor einer Reihe von Fächern stand, eines leerte und den Inhalt in die Segeltuchtasche stopfte. Dicht neben ihr stand Chefez und redete in beschwörendem Ton auf sie ein. Als er Michael gewahrte, sagte er hastig: »Einen Moment noch, ich komme schon, warten Sie dort auf mich«, und deutete mit dem Kopf in Richtung des Nachrichtenraums. Michael ging im Zeitlupentempo weiter, so dass es ihm noch gelang, einen tiefen Seufzer, gedämpfte Töne und am Ende zu hören: »…glaubst mir nicht, dass ich mich um dich sorge.« Die Antwort – sofern sie eine gab – hörte er nicht.
    Nur wenige Leute waren im Nachrichtenraum, die, wenn sie sprachen, dies auch nur leise taten, so wie man sich verhält, wenn ein Unglück geschehen ist. Niva saß neben dem Faxgerät und zog eine Seite nach der anderen heraus und notierte dabei unter Gemurmel: »Chaim Nacht … erhält Zuschuss … nicht verstorben … weiß jemand vielleicht, was das sein soll, Resch, Lamed und Anführungsstriche?«
    »Rachamana lizlan, Gott behüte!«, antwortete ihr eine Stimme aus einem der Zimmer, und sie riss eine neue Seite aus dem Fax. Hin und wieder hob sie den Blick zum Monitor, wo das wöchentliche Politikprogramm mit einer Live-Sendung begann. Der Moderator, der den regulären ersetzte – ein Journalist, der für seine Ernsthaftigkeit und Zurückhaltung bekannt war, für seine langsame Sprechweise und seine schneidende Betonung jeder Silbe –, wollte etwas über die Außergewöhnlichkeit in dieser speziellen Sendung sagen. Bevor er die regelmäßigen Teilnehmer und die Gäste vorstellte, erläuterte er, dass man sich zunächst etwas Zeit nehmen würde, »um über das Andenken unserer Kollegin Tirza Rubin zu sprechen, der Leiterin der Kulissenabteilung, die auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn bei einem Unfall getötet wurde«. Mit erstickter Erregung fuhr er fort: »Man kann sagen, für die Arbeit«, und erwähnte anschließend auch Matti Cohen selig, den Leiter der Produktionsabteilung, der »hinter den Kulissen unser großes Unternehmen nährte«.
    Es schien, als achte keiner im Raum darauf, was auf dem Bildschirm zu sehen war, bis einer der ständigen Teilnehmer der Sendung, ein älterer, stark beleibter Mann, dessen lauter Jammerton sein hauptsächliches Charakteristikum darstellte, in die Worte des Moderators platzte, die Sünden der Orthodoxen erwähnte und die Schande von Nataschas Fehlschlag, die, mit seinen Worten, »eine rare Gelegenheit versäumt hat, wie es bei euch in den Nachrichten öfter geschieht«. Das Publikum im Studio applaudierte, und der Mann blickte sich mit einem hochmütigen Lächeln um.
    Niva hob ihren Kopf von dem Stapel Blätter, die sie von einer Seite auf die andere legte. »Oi, halt doch den Mund«, knurrte sie, nachdem sie kurz auf den Monitor geblickt hatte, »gleich sagst du was drüber, wie du ein Kind im Holocaust warst …« In der Tat verging keine Minute, und das gedunsene Gesicht des Mannes wurde ernst, sein überhebliches Lächeln erlosch, er senkte für einen Augenblick die schweren Lider und riss

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