October Daye - McGuire, S: October Daye
Tarnung. Der Geruch meiner Magie nach geschnittenem Gras und Kupfer verbreitete sich und überlagerte den Duft von Poleiminze, der Tybalts Jacke anhaftete wie ein Kräuterparfum. Spike nieste, sprang auf die Rückenlehne der Couch und rasselte mit seinen Dornen.
»Sind wir heute allergisch?«, fragte ich. Er rasselte abermals mit den Dornen, und ich lachte. »Alles klar. Seid brav, alle miteinander. Keine wilden Partys. Stacy schaut vorbei, um euch zu füttern. Ich komme zurück, sobald ich kann.« Rasch schloss ich die Tür hinter mir, um den vorwurfsvollen Blicken meiner Haustiere zu entgehen, dann trabte ich den Fußpfad in Richtung Parkgarage entlang.
Meine Behausung ist ein Objekt, das auf dem Wohnungsmarkt von San Francisco als ›Schnäppchen‹ gilt. Sie ist nicht nur mietpreisgeregelt und vergleichsweise geräumig, es gehört auch ein Stellplatz im Parkhaus daz u – ein schier unerhörter Luxus in einer Stadt, in der es bekanntlich regelrechte Prügeleien um einen anständigen Parkplatz gibt. Meinem Mietvertrag zufolge wirkt ein überdachter Parkplatz vorbeugend gegen Diebstahl und Vandalismus, was eine erhöhte Miete rechtfertigt. Bedenkt man, was für Autos ich gewöhnlich fahre, betrachte ich das Parkhaus eher als vorbeugend gegen öffentlichen Spott.
Mein letzter Wagen war einer Ein-Personen-Verfolgungsjagd durch die Innenstadt von San Francisco zum Opfer gefallen, bei der die Stoßdämpfer geschrottet und die Bremsen irreparabel beschädigt wurden. Als es mir endlich gelungen war, ihn wiederzufinde n – keine leichte Übung, denn ich hatte ihn mit dem Schlüssel im Zündschloss auf der Straße stehen lasse n – , blieb das einzig Vernünftige, ihn von seinem Elend zu erlösen. Also verkaufte ich die noch funktionstüchtigen Teile, verschrottete den Rest und kaufte mir einen zitronengelben VW Käfer, Baujahr 1974. Ich mag Käfer.
Als ich die Garage aufschloss, zeigte sich, dass mein Auto einen neuen Kühlerschmuck besaß, denn als ich es zuletzt gesehen hatte, thronte dort noch kein blonder Teenager. Er saß mit gekreuzten Beinen und Kopfhörer auf der Motorhaube, lehnte sich auf seine Hände und betrachtete die Risse in der Parkhausdecke.
»Quentin, runter da! Du zerkratzt den Lack.«
»Womit denn?«, fragte er, nahm den Kopfhörer ab und wandte sich mir zu. »Ich hab kein Schleifpapier dabei.«
»Trottel.« Ich grinste.
Quentin und ich hatten es anfangs nicht ganz leicht miteinander: Sylvester schickte ihn, um mich nach Schattenhügel zurückzuholen, und ich schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Inzwischen ist diese Scharte aber längst ausgewetzt, und mittlerweile gehört er zu meinen Lieblingen. Er ist ein reinblütiger Daoine Sidhe und legt eine gehörige Arroganz an den Tag, aber er hat eine Menge Potenzial. Er muss nur noch herausfinden, was er damit anstellen soll.
Seine Eltern habe ich nie kennengelernt. Ich würde gutes Geld darauf wetten, dass sie weit von Kalifornien entfernt leben. Die Adligen unterhalten ein ausgeklügeltes System anonymer Pflegschaft, sie verschieben ihre Kinder diskret von einem Ort zum anderen, sodass niemandem etwas Sonderbares an ihnen auffällt und kein Mensch registriert, dass manche von ihnen nicht im üblichen Tempo älter werden. Quentin kam etwa ein Jahr, bevor ich offiziell in Sylvesters Dienste zurückkehrte, zur Pflegschaft nach Schattenhügel. Seine Tage verbringt er an einer hiesigen Highschool und lernt dort, wie die Menschen leben. Nachts dient er als Page und lernt, was ein Adliger in Faerie können muss. Eines Tages wird er ein Knappe sein, dann ein Ritter und zu guter Letzt der Erbe seiner Eltern. Ein ziemlich hochgestecktes Ziel für einen Jungen in seinem Alter, aber ich denke, er kommt damit klar.
Quentin rutschte von der Motorhaube, warf sich seinen Rucksack über die Schulter und bedachte mich mit einem erwartungsvollen Blick. »Also, wohin fahren wir?«
»Nach Zahmblitz«, antwortete ich und warf einen Kontrollblick auf den Rücksitz, bevor ich die Autotüren öffnete. »Hast du alles dabei, was du brauchst?«
»Seine Gnaden hieß mich packen, bevor wir aufgebrochen sind.«
»Natürlich. Steig ein.«
Eines musste ich ihm lassen: Er hatte es offensichtlich eilig. Noch ehe ich meine Tür zugezogen hatte, saß er auf seinem Sitz und war angeschnallt. Ich warf ihm einen Seitenblick zu und zog eine Augenbraue hoch.
»Du bist doch wohl nicht übereifrig?«
Quentin wirkte verlegen. »Wir haben Sommerferien. Ich hatte
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