October Daye - McGuire, S: October Daye
›Wegbeschreibung‹ einen gewissen Sinn zu entlocken, und zwanzig Minuten später hielten wir vor einem großen Tor mit einer Hausnummer, die der in den Unterlagen entsprach. Der Zaun erstreckte sich in jeder Richtung einen gesamten Häuserblock weit. Er umschloss ein undurchdringliches Dickicht, bei dessen Anblick der Schlossverwalter von Dornröschen vor Neid erblasst wäre. Die Pflanzen, die ich erkannte, gehörten allesamt schnellwüchsigen Arten an, als wären sie nach der Fähigkeit ausgewählt worden, ein Grundstück in kürzester Zeit zu überwuchern. Die Bäume waren Eukalyptus, das größte der Menschheit bekannte Unkraut. Eukalyptus wächst so schnell, dass im Nu ein dichter Blickschutz entsteht, Jahre bevor irgendein anderes Gewächs so weit gediehen ist, und in Kalifornien, wo sie keine natürlichen Feinde haben, werden diese Bäume höher, als es jemals vorgesehen war.
Ein Steinbogen spannte sich über die Einfahrt und trug ein Fallgitter, das aussah, als hätte es jemand am Filmset von Camelot entwendet. In den Schatten hinter dem Torbogen huschte etwas vorüber. Irgendwie bezweifelte ich, dass es ein Reh war.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«
Ich deutete auf ein Holzschild mit der Aufschrift ALH Computing. »Sieht ganz so aus.«
»Wie kommen wir rein?«
»Gute Frage. Warte mal.« Am Zaun war eine Gegensprechanlage installiert. Hochsicherheit hin oder her, die Firma musste es schließlich irgendwie merken, wenn sie Besuch bekam. Ich stieg aus dem Auto und ging zur Gegensprechanlage, um sie eingehender zu betrachten. »Quentin, bring mir mal den Hefter.«
»Bin ich jetzt dein Diener?«
»Sehr witzig. Gib den verdammten Hefter her.« Ich streckte die Hand aus. Er lachte und gab mir das Ding.
Sylvesters Anweisungen enthielten keinen Sicherheitscode. Es war nicht einmal ein Sicherheitssystem erwähnt. Toll. Ich beugte mich vor und drückte auf das, was ich für die Sprechtaste hielt. »Hallo? Ist da jemand?« Keine Antwort. Kopfschüttelnd sah ich mich zu Quentin um. »Irgendwelche Ideen?«
Er zuckte die Achseln. »Wir könnten nach Hause fahren.«
»Leider nicht.« Seufzend wandte ich mich wieder der Gegensprechanlage zu und drückte erneut den Knopf. »Hallo? Hier ist October Daye. Ich bin hier, um January Torquill zu besuchen. Kann mich jemand reinlassen?« Mit gerunzelter Stirn wartete ich einige Minuten. Es war zwar ein schöner Tag, trotzdem wollte ich ihn nicht vollends im Freien verbringen.
Schließlich blies ich der Gegensprechanlage verärgert einen Kuss zu und sagte: »Sprich, Freund, und tritt ein.« Gleichzeitig sandte ich einen Impuls absoluter Gewissheit, den richtigen Code eingegeben zu haben. Der Geruch von Kupfer stieg in der Luft auf, und ein jäher, stechender Schmerz hinter meinen Augen signalisierte, dass die begrenzten magischen Ressourcen meines Körpers den Zauber registriert hatten und ihn mir entsprechend verrechneten, selbst wenn er nicht funktionieren sollte.
Die Fähigkeiten aller Fae haben Grenzen, und meine sind enger gesteckt als die der meisten. Allein das Aufrechterhalten meiner menschlichen Tarnung kann anstrengend sein. Dazu dann noch der ganze alltägliche Magieverschleiß … kurz und gut, ich kenne magische Migräne besser, als mir lieb ist.
Immerhin ertrug ich den Schmerz nicht vergebens. Die Gegensprechanlage knisterte, dann zeigte der Bildschirm das Wort Willkommen , während das Fallgitter sich langsam zu heben begann. Ich richtete mich auf. »Na also. Dann mal los.«
Quentin runzelte die Stirn. »Was hast du da gerade gemacht?«
»Das Schloss geknackt.« Als ich seinen missbilligenden Gesichtsausdruck sah, seufzte ich. »Hör zu, wir sind hier, weil Sylvester sich Sorgen macht. Das rechtfertigt ja wohl einen kleinen Einbruch. Und jetzt steig in den Wagen.«
Er verdrehte die Augen, tat aber wie geheißen. Das Sicherheitssystem diente wohl mehr der Abschreckung als dem täglichen Gebrauch, denn das Fallgitter brauchte fast fünf Minuten, um sich zu öffnen, eindeutig zu lange für ein Tor. Reinblütlern geht Stil fast immer über Funktionalität. Sobald die Öffnung groß genug war, fuhren wir hindurch und folgten dem gewundenen Fahrweg einen kleinen Hang hinab zum Parkplatz. Das Dickicht der Sträucher wich hier einem gepflegten Rasen, der auch die beiden Gebäude jenseits des Parkplatzes umgab. Weiter außen umringte uns ein geheimnisvolles Durcheinander hoher Bäume, und nur die vereinzelt durchschimmernde Skyline der Stadt
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