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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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sah. Manche von ihnen waren noch zu identifizieren – der da ein Daoine Sidhe, die da eine Bannick, er dort ein Grabunhold – aber leicht verändert, sodass sie mehr wie Parodien ihrer Rasse wirkten als wie echte Fae. Andere waren völlig verfremdet und verunstaltet, entstellt zu verrückten Farcen ihrer selbst. Spitze Ohren und Katzenaugen, Schuppen und Fell, Flügel und lange, muskulöse Schwänze waren ohne sichtbare Logik kombiniert und schufen Kreaturen, die völlig neu waren und völlig falsch.
    Da war ein Tuatha de Dannan, perfekt und unverändert bis auf die streifigen braunen Federn, die seine Arme in ausgefranste Flügel verwandelten. Hinter ihm stand ein kleiner Zentaur mit den Hinterbeinen eines Drachen. Er hatte irisierende grüne Schuppen anstelle seines Fells, und seine Hufe waren eher wie Klauen. Auf seinem Rücken saß eine Piskie mit Schwimmhäuten an den Händen und mit Beinen, die sich zu Flossen verjüngten. Ihr verfilztes Haar war mit einem dreckigen Leinenlumpen aus dem Gesicht gebunden.
    Ich öffnete den Mund, um ihre Blutlinien zu erkunden, und würgte von der unvorstellbaren Mischung, die mir an den Gaumen schwappte. Vielleicht erinnerte sich ihr Blut noch, wer sie ursprünglich waren. Hätte ich Zeit, sie einzeln nacheinander zu erschmecken … Doch in der Gruppe waren sie erstickend. Er hatte sie nicht nur äußerlich verändert. Er hatte sie verwandelt bis ins Mark ihres Seins.
    Faerie hat Bürger, und Faerie hat Ungeheuer, und manchmal ist beides dasselbe, aber sie alle sind Kinder der Schöpfung, keine Zufallsprodukte oder böswilligen Umbauten. Wir sind, was wir sein sollten, und jede Rasse hat ihre sinnvolle Rolle. Die Daoine Sidhe sind schön und launisch und so gebunden an Blut, dass wir niemals saubere Hände haben. Die Tuatha de Dannan überbrücken die Klüfte zwischen unseren verschiedenen Landen, als Hüter der Tore und Wächter. Die Nachtschatten mögen Monster sein, aber sie verrichten einen Dienst, der für den Rest von uns unentbehrlich ist. Sie essen unsere Toten und halten uns verborgen. Wir machen alle unsere Arbeit.
    Sogar die Erstgeborenen, einzigartig wie sie sind, erfüllen eine Aufgabe. Sie schenken uns Legenden und nächtliche Schrecken, geben uns Anlass, etwas zu erstreben oder zu vermeiden. Ohne sie hätte Faerie keinen Mittelpunkt und keine Richtung. Es gäbe für Helden niemanden zum Herausfordern und für Schurken niemanden zum Nacheifern. Wir brauchen sie so sehr, wie wir uns gegenseitig brauchen.
    Diese Kinder aber hatten keine solchen Aufgaben. Sie waren nichts Natürliches mehr, nicht einmal an den schrägsten Ufern von Faerie. Es kam nicht darauf an, wie es gemacht worden war oder warum. Dass es zu spät war, um sie noch zu retten, war alles, was zählte. Mir blieb nur zu hoffen, dass die Kinder, zu deren Rettung ich ausgeschickt war, nicht unter ihnen waren.
    »Eine Neue«, sagte ein Urisk, dem lange Antennen aus seinen abgebrochenen Hornstummeln wuchsen. Er war in ein fleckiges Baumwolllaken gehüllt, mit Schlitzen für seine hauchdünnen Heuschreckenflügel. Das Haar an seinen Ziegenbeinen war spärlich und verfilzt.
    »Eine Neue«, sagte der Zentaur. Die Piskie auf seinem Rücken lächelte und entblößte eine Reihe unnatürlich verankerter Fangzähne.
    »Eine Neue«, sagte sie.
    Die anderen nahmen den Ruf auf und flüsterten im Chor: »Eine Neue, eine Neue«, während sie herankrochen. Ich wich nicht zurück, krampfte nur die Finger um die Kerze, bis meine Knöchel weiß hervortraten. Luna hatte mich vor Blind Michaels Kindern gewarnt, mir gesagt, ich sollte mich in Acht nehmen und vor ihnen hüten. Aber ich konnte nicht. Ich konnte keine Angst vor ihnen haben. Ich konnte sie bedauern, und ich wusste, dass ich ihnen nicht trauen durfte, aber ich konnte sie nicht fürchten.
    Die Piskie streckte den Arm aus, packte eine Strähne meiner Haare und drehte sie zwischen Fingern mit dicken Schwimmhäuten. Ihre Miene war höflich interessiert, sie war wahrscheinlich etwa zehn Jahre alt. »Menschliches Blut«, sagte sie schließlich und riss heftig.
    Ich zuckte zusammen und schützte mit der freien Hand meinen Skalp. »Hey! Das tut weh!«
    Sie beachtete mich nicht und hielt lachend die Haarsträhne hoch, die sie erbeutet hatte. »Reiter oder Ross?«, verlangte sie zu wissen. »Wie stark?«
    Das schien eine wichtige Frage und auch ein besseres Spiel. Die Kinder begannen im Kreis um mich herumzuhüpfen und sangen »Reiter oder Ross, Reiter oder Ross«, wieder

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