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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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verbrachte einen nicht ermessbaren Zeitraum mit dem Versuch, mich so zu verbiegen, das ich mich sehen konnte, bis die Erschöpfung mich überwältigte und ich in einen unruhigen Dämmerschlaf fiel.
    Vielleicht schöpfte mein Körper aus diesem unfreiwilligen Nickerchen etwas Ruhe, mein Geist jedenfalls nicht. Er arbeitete rastlos und erschuf ungezählte Albtraumszenarien. Es begann damit, was Blind Michael tun würde, wenn er erfuhr, dass ich nicht mehr laufen konnte, und von da an ging es stetig nur noch abwärts. Ich erwachte davon, dass Spike an meinem Gesicht schnüffelte, angezogen von meinem Gewimmer.
    »Ist schon gut, Spike«, sagte ich und streichelte seine Flanke. »Dir passiert nichts.« Er jaulte leise, entspannte sich dann aber, und ich kehrte zurück in mein unseliges Dämmern.
    Ich weiß nicht, wie lange das so ging, ehe Schritte in der Dunkelheit Acacias Rückkehr ankündigten und mich schlagartig weckten. Halb hoffend, halb ängstlich wollte ich mich in Richtung der Geräusche wenden, aber nicht einmal das brachte ich fertig. Ich war mehr als gefangen, ich war völlig hilflos. Spike sprang auf die Füße und bezirpte, was immer er dort in den Schatten sah. Seine Reaktion war so ziemlich der einzige Grund, warum ich nicht völlig durchdrehte. Spike war gewöhnlich ein guter Charakterkenner. Er schien sich keine Sorgen zu machen – warum also sollte ich es tun? Es sei denn natürlich, dies war das eine Mal, dass er falsch lag …
    Ich räusperte mich und sagte: »Hallo?«
    »Gut, du bist wach.« Acacia trat in mein Blickfeld. Das Licht ihrer Laterne erhellte die Lichtung, und endlich konnte ich sehen, ohne die Augen zusammenzukneifen. Das war allerdings ein schwacher Trost, denn außer Bäumen gab es nichts zu sehen. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.« So klang sie nicht. Wenn überhaupt, klang sie gelangweilt.
    Ich sah sie an und nahm mir einen Augenblick Zeit, bevor ich sprach. Abgesehen von der Narbe, die eine Seite ihres Gesichts durchschnitt, war ihre Haut von geradezu unnatürlicher Glätte. Es war, als wäre sie aus lebendigem Holz geschnitzt, und das Messer war einmal abgerutscht. Es gab nur eine Blutlinie, die solche Haut hervorbrachte. »Ihr seid eine Dryade.« Das erklärte, warum der Wald bereit war, ihr zu gehorchen: Dryaden sind Baumgeister, und sie sind selbst schon fast halbe Pflanzen. Zwar hatte ich noch nie eine Dryade getroffen, die diese Art von Kontrolle über die Pflanzenwelt um sich herum hatte, aber das hieß nicht, dass es unmöglich war. Dryaden sind sehr seltsam, sogar für Fae. Was ich nicht verstand, war, was sie hier tat – warum sollte eine Dryade einen Lebensraum wählen, wo alle Bäume starben? Zumal eine so mächtige Dryade, wie Acacia es zu sein schien?
    »In gewisser Weise ja«, sagte sie mit einem schmalen, bitteren Lächeln. »Du bist eine aufmerksame Beobachterin. Nur schade, dass du fliegenden Wurfgeschossen nicht dieselbe Aufmerksamkeit schenkst.«
    »Das ist aber auch schwer, wenn sie von hinten kommen.« Sie musste den Speer meinen, der mich ins Bein getroffen hatte. Die Frage war nun, wie schlimm die Verletzung war. So gefasst ich konnte, sagte ich: »Ich kann meine Beine nicht spüren.«
    »Das war zu erwarten, so arbeitet Gift nun mal.« Sie schüttelte den Kopf, und Knäule wurzelartigen Haares schlängelten sich über ihre Schultern. »Die Tinktur auf dem Speer war gut gebraut. Eigentlich müsstest du jetzt ein Baum sein, fest verwurzelt und am Wachsen, um meinen Wald zu bereichern. Es ist gewissermaßen eine Gnade, den Opfern meines Ehemanns wenigstens diese Freiheit zu gewähren.«
    Ich erbleichte. »Wie kommt es dann … «
    »Ich habe den Prozess angehalten. Ich bin diejenige, die das Gift ursprünglich gebraut hat, deshalb muss es mir gehorchen.« Mit einer eigentümlich vertrauten Geste neigte sie den Kopf. »Ich will mit dir sprechen. Geht es dir dafür gut genug?«
    »Ich denke, ich könnte einen Versuch wagen.« Unpassende Witzeleien, die letzte Zuflucht vor der Panik.
    »Gut.« Sie kam näher, und für einen schrecklichen Moment glaubte ich, sie wolle mich wieder hochheben. Stattdessen hielt sie nur dicht bei mir ihre Hände auf, und Spike spazierte hinein. Sie lächelte und drückte ihn sanft an sich. Spike zirpte und begann zu schnurren. Ich starrte sie beide an, verblüfft und seltsam gekränkt. Sie mochte ja eine Dryade sein, aber das fühlte sich an wie Verrat.
    »Wo hast du ihn her?«, fragte Acacia. Spike stupste mit dem Kopf ihre

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