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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Schockzustand und halb hysterisch vor Kummer. Ich wollte wissen, weshalb sie mich nicht gerettet hatte. Was ich erfuhr, war dann beinah mehr, als ich verkraften konnte.
    »Er hat Mauern um mein Lehen angebracht«, erklärte sie. »Ich war einsam, October, so einsam, und meine Magie dient dem Wachstum und der Heilung, nicht der Verwandlung. Ich konnte dich nicht retten, Kind. Ich konnte nur dafür sorgen, dass du es so behaglich wie möglich hattest. Es tut mir leid.«
    Lily war ebenso sehr Simons Gefangene gewesen wie ich, denn viele Jahre lang vergaß die Welt, dass sie existierte. Die Bewohner ihres Lehens verloren sich, waren plötzlich heimatlos und konnten nicht verstehen, weshalb. Bis der Bann brach, war sie dem Tode näher als ich, weil man in meinem Fall zumindest daran dachte, um mich zu trauern. Ich konnte sie nicht für Dinge hassen, die Simon uns beiden angetan hatte. Und eines hatten wir gemeinsam: Eines Tages würden wir Simon Torquill teuer bezahlen lassen.
    Der Geschmack von Hibiskusblüten rief mich aus meinen Erinnerungen und zurück in meinen Körper. Seufzend und blinzelnd schlug ich die Augen auf. Die Schmerzen waren verschwunden. Dasselbe galt für meine Bluse und den Rest meiner Kleider. Ich trug nur die Streifen aus Moos und Weidenrinde, die Lily um meine verwundete Schulter gewickelt hatte. Na toll. Ich bin keineswegs prüd e – es wäre auch schwierig, in den Sommerlanden aufzuwachsen, wo man Kleider bestenfalls auf Wunsch trägt, und trotzdem prüde zu werden. Aber das bedeutet keineswegs, dass ich Nacktheit genieße. Nackte Leute sind zwangsläufig unbewaffnet.
    Ich stemmte den rechten Ellbogen in den Boden und hievte mich in eine sitzende Haltung. Die Bewegung verursachte mir Schwindelgefühle, aber die Kopfschmerzen hatten nachgelassen und waren nur noch halb so schlimm wie zuvor. Lily kniete einige Meter entfernt und tauchte etwas ins Wasser eines kleinen Teichs. Da ich nun wieder scharf sah, konnte ich feststellen, dass die raschelnden Laute von ihren schweren Seidengewändern herrührten. Sie waren dunkelgrün und weiß und silbrig, mit einem welligen Drachenmuster bestickt. Zwei Pixies kauerten auf den Ebenholzstäbchen, die ihr Haar zusammenhielten, und warfen flackernde Schatten über ihre Züge.
    »Beweg dich langsam«, forderte sie mich auf, kam herüber und kniete sich neben mich. »Ich habe mein Bestes gegeben, aber der Mensch in dir protestiert gegen das Eindringen der Magie, und das Eisen blockiert mich zusätzlich. Mehr kann ich nicht tun.«
    »Tut mir leid; war auch nicht meine Idee«, gab ich zurück und bewegte den Arm versuchsweise nach hinten. Die Verbände an meiner Schulter zogen, und ich zuckte zusammen. Lily schnalzte mit der Zunge und begann, den Wickel mit einem Seidenschwamm zu befeuchten. Das Wasser linderte einen Großteil des Wundgefühls, stillte es aber nicht gänzlich. Mich überraschte keineswegs, dass sie mich nicht völlig zu heilen vermochte; immerhin kämpfte sie gegen Eisen, und ich hatte kein Recht, ein Wunder zu erwarten. Wäre sie etwas Geringeres als eine Undine in ihrem eigenen Reich gewesen, sie hätte vermutlich nicht einmal so viel ausrichten können. Nichts von alledem verhinderte, dass ich enttäuscht war, als ich erkannte, wie beträchtlich der verbliebene Schaden war. Zwar nicht schlimm genug, um mich zu verkrüppel n – ich würde den Arm weiterhin verwenden können, auch während er verheilt e – , aber es würde meine Aufgabe noch wesentlich schwerer gestalten, als sie es ohnehin schon gewesen war.
    Das sollte mich lehren, künftig vorsichtiger zu sein. Ich schaute zu Lily hin und lächelte, so aufrichtig ich trotz der Enttäuschung und der Restschmerzen nur konnte. »Ziemlich gute Arbeit.«
    Sie tat meinen Dank mit einer schwimmhautfingrigen Hand ab. Alles, was in Richtung eines Dankeschöns geht, entspricht in Faerie unsicherem Terrain. »Es ist nicht mehr oder weniger, als die Gastfreundschaft gebietet. Ehrlich, October, derlei Dinge wären gar nicht nötig, wenn du nur aufhören könntest, vor Kugeln zu springen.«
    »Ich will versuchen, mir das zu merken.«
    »Gut.« Die Kiemen unter ihrem Kiefer blähten sich, und ich verspürte einen unverhofften Anflug von Besorgnis. Sie versuchte zu verbergen, wie abgezehrt sie war, doch ich kannte sie gut genug, um es zu bemerken. Heilzauber sind kräfteraubend, selbst wenn man nicht gegen Eisen kämpft.
    »Lily, geht es dir gut?«
    »Ich bin müde, October, das ist alles. Das vergeht

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