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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Piers
war endgültig die Nacht hereingebrochen. Der Nebel, der in der Dämmerung aufgestiegen war, bevor ich Annamaria weggeschickt hatte, verdichtete sich immer mehr.
    Gut so. Die Schwaden würden mich rascher verhüllen, als die Dunkelheit das tat. Die Aluminiumstangen ächzten in den Dollen, und die Paddel klatschten manchmal laut ins schwarze Wasser, aber hinter mir hörte ich keinerlei Rufe, und mit jedem Augenblick war ich zuversichtlicher, doch noch zu entkommen.
    Meine Arme begannen zu schmerzen, Schultern und Hals ebenfalls, doch ich ruderte unbeirrt weiter. Dabei spürte ich, welche Kraft das Meer besaß, und war dankbar für die niedrigen, trägen Wellen.
    Als ich mich traute, einen Blick zurückzuwerfen, waren nur noch einige der verschwommen leuchtenden Laternen auf dem Pier sichtbar, während dieser im trüben Dunkelgrau verschwunden war. Erleichtert zog ich die Paddel ins Boot und ließ sie auf den Boden rutschen.
    Für einen unerfahrenen Matrosen kann so ein Schlauchboot eine schlüpfrige Sache sein - fast so schlimm, wie auf dem Rücken eines wütenden, betrunkenen Krokodils zu sitzen, das seinen Reiter abwerfen will, um ihm die Weichteile abzubeißen. Aber die Geschichte werde ich ein andermal erzählen.
    Aus Angst, über Bord zu fallen oder das Boot zum Kentern zu bringen, krabbelte ich auf Händen und Knien zur hinteren Bank. Dort setzte ich mich hin und griff nach der Pinne des Außenbordmotors.
    Statt eines Starterseils war eine elektrische Zündung vorhanden, die ich fand, indem ich mit den Fingern über den Motor fuhr wie ein Blinder über einen Text aus Braille-Schrift. Als ich den Knopf drückte, heulte der Motor auf,
dann zischte die Schraube im Wasser und brachte es zum Sprudeln.
    Wegen des Lärms hörte ich nicht, ob auf dem Pier zornige Rufe erschallten, aber das änderte nichts an den Tatsachen. Nun wusste das vermaledeite Trio mit Sicherheit, wohin ich verschwunden war.

6
    Direkt an Land zu steuern, kam mir unklug vor. Der Kerl, der sich dort am Ende des Piers postiert hatte, hätte meine Position anhand des Motorengeräuschs bestimmen und am Strand entlanglaufen können, um mich zu empfangen.
    Der Nebel war nicht dicht genug, um den ganzen Ort zu verhüllen. Verschwommen sah ich die Lichter der Geschäfte und Wohnhäuser am Ufer und nutzte sie, um parallel zur Küste nach Norden zu fahren.
    Zum ersten Mal, seit der blonde Koloss mir die Hand auf die Schulter gelegt hatte, grübelte ich darüber nach, warum ich dadurch in den apokalyptischen Traum der vergangenen Nacht zurückgeworfen worden war. Ob der Kerl dieselbe Vision gehabt hatte wie ich, wusste ich nicht, aber etwas hatte er auf jeden Fall erlebt, und nun wollte er mich offensichtlich einer Befragung unterziehen, bei der ich anschließend ein paar Zähne und Fingernägel weniger hatte.
    Ich dachte an die gelben Augen und an die Stimme, die sich angehört hatte wie die eines Raubtiers: Wer zum Teufel bist du?
    Meine derzeitige Lage war nicht gerade ideal, um ruhig nachzudenken und fundierte Schlussfolgerungen zu ziehen. Deshalb fiel mir nur eine einzige Erklärung für die elektrisierende Wirkung der Pranke auf meiner Schulter ein.

    Mein Traum von jener grässlichen, aber ansonsten nicht näher definierten Katastrophe war offenbar tatsächlich kein Traum gewesen, sondern eine Vorahnung. Das stand jetzt außer Zweifel. Als der Muskelberg mich angefasst hatte, hatte er damit in mir eine Erinnerung daran ausgelöst. Diese Erinnerung aber war in ihn übergegangen, weil er an der mysteriösen Gewalttat, deren Folgen ich bruchstückhaft gesehen hatte, selbst beteiligt war.
    Die Wellen waren eigentlich nicht hoch genug, um mir den Magen umzudrehen, aber als mein Magen sich trotzdem umdrehte, fühlte er sich so dehnbar und schlüpfrig an wie eine aus ihrer Schale gleitende Auster.
    Als ich mich etwa eine halbe Meile vom Pier entfernt hatte, ließ ich die Pinne des Außenborders einrasten, zerrte mir das klatschnasse Sweatshirt, das mich beim Schwimmen behindert hatte, vom Leib und sprang über Bord. Das Boot tuckerte weiter.
    Da ich vor Aufregung ins Schwitzen geraten war, hatte ich ganz vergessen, wie kalt das Wasser war: kalt genug, um mir den Atem zu rauben. Ich ging unter und spürte, wie eine Strömung mich weiter in die Tiefe zog. Strampelnd kämpfte ich mich wieder an die Oberfläche, spuckte einen Mundvoll Meerwasser aus und schnappte nach Luft.
    Ich drehte mich auf den Rücken, um mich auf Armen und Beinen langsam Richtung

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