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Odessa Star: Roman (German Edition)

Odessa Star: Roman (German Edition)

Titel: Odessa Star: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch
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Windenergie. Nathalie war wieder da. Und ich habe ihm noch gesagt, dass Verwoerd mir immer sehr schlechte Noten gibt und dass ich deswegen wahrscheinlich sitzen bleibe.«
    »Ja?«, sagte ich beunruhigt.
    »Na ja, das war komisch, ich dachte erst, das ist wieder so ein Witz von ihm, aber er notierte sich den Namen auf einen Zettel. Und als er wegging, gab er Nathalie einen Kuss auf beide Backen und zwinkerte mir zu. Ich hatte es eigentlich schon wieder vergessen, aber dann kam Verwoerd auf einmal wochenlang nicht mehr zur Schule, und als er zurückkam, war er … ja, irgendwie anders. Und beim letzten Zeugnis gab er mir eine zwei, und deswegen bin ich dann doch versetzt worden.«
    Durch die immergrüne Konifere fällt der erste Sonnenstrahl auf den Rasen.
    »Und wie fandest du das?«, frage ich.
    »Ich … ich fand es cool. Ich meine, dass er das einfach fürmich getan hat. So wie er dir auch mit dem hier geholfen hat …« Er macht eine Handbewegung zum Garten. »Es ist traurig, dass er nicht mehr da ist.«
    Ich mache einen Schritt auf ihn zu und lege ihm nach kurzem Zögern eine Hand auf die Schulter. »Finde ich auch.«
    »Papa?«
    »Ja, Junge?«
    »Kann ich dich mal was fragen? Du musst mir aber eine ehrliche Antwort geben.«
    Ich hebe die Hand. »Versprochen.«
    »Als wir in Menorca waren, da warst du mal allein im Swimmingpool mit dem … mit dem merkwürdigen Jungen, weißt du noch?«
    Ich nicke. »Natürlich.«
    »Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, gleich danach, aber auch später … Hast du da irgendwas vorgehabt?«
    »Vorgehabt?«
    »Hast du vielleicht vorgehabt, dem Jungen was anzutun?« David flüstert es fast.
    Ich breite die Arme aus und lache laut. »Junge!« Ich ziehe ihn zu mir und nehme ihn in die Arme, was er sich einfach gefallen lässt. »Natürlich nicht!«, sage ich lachend. »Ja, es war ein merkwürdiger Junge, aber ich habe ihn einfach ein bisschen aufgezogen, mehr nicht.«
    Während ich David in den Armen halte, sehe ich wieder zum Balkon hoch. Als ich mit Richard H. im silbergrauen Mercedes zum Studio fuhr, wo Wer wird Millionär? aufgenommen wurde, hatte ich ihn vorsichtig an die Geschichte mit dem Hund erinnert, für den er die Leberwurst mitgebracht hatte, in der Hoffnung, etwas mehr zu erfahren. Richard H. hatte mehrmals den Kopf geschüttelt.
    »Alles verlief ziemlich reibungslos«, sagte er. »Nur schade um das Mädchen.«
    »Was für ein Mädchen?«

    »Hat Max dir das nicht gesagt?« Richard H. schüttelte wieder den Kopf. »Manchmal ist mir dieser Kerl ein Rätsel. Du solltest das wissen, das habe ich ihm auch gesagt.«
    Richard überholte rechts einen schwarzen BMW . »Stand einfach da auf eurem Balkon. Eine Fee wie aus einem Märchen. Marokkanerin, glaube ich. Keine Ahnung, was sie da zu suchen hatte, aber es war kein günstiger Moment, während ich da unten im Garten beschäftigt war.«
    Ich musste ein paarmal schlucken.
    »Und dann?«
    »Und dann und dann und dann … So ist das eben. Ein typischer Fall von FZFO .«
    »Bitte?«
    »Falsche Zeit, falscher Ort. Aber ich habe immer noch Bauchschmerzen deswegen. Familien mit Kindern, hübsche Mädchen, lieber nicht, wenn es nicht absolut notwendig ist. Hier musste es sein.«
    Wir hatten den Parkplatz vor dem Fernsehstudio erreicht.
    Und ich musste wieder an den Abend denken, als ich nach der Sendung eine Weile Richard H. gesucht und schließlich festgestellt hatte, dass der Mercedes nicht mehr auf dem Parkplatz stand.
    David versucht, sich aus der Umarmung zu lösen. Ich halte ihn noch an der Schulter fest, ich möchte ihm noch etwas über den »merkwürdigen Jungen« im Swimmingpool sagen, in Gedanken bastle ich an einer witzigen Bemerkung, in der der Ausdruck » FZFO « vorkommt, aber dann kneife ich ihm nur leicht in den Nacken. »Ich hole dir mal die CD von Reservoir Dogs aus dem Auto«, sage ich.
    Die Pythagorasstraat liegt zu dieser Zeit verlassen da – beinahe verlassen, denn als ich zum Jeep gehe, sehe ich die blondierte Frau mit den zwei Garnelen-Hündchen wie bestellt um die Ecke kommen.
    Ich gehe rückwärts zurück zur Haustür.
     
    » FZFO !«, murmle ich zwischen den Zähnen, als ich in der Küchenschublade neben dem Herd zwischen den Schraubenziehern, Gummibändern, Batterien und Rollen Bindfaden nach dem Stanleymesser suche. Nach meiner letzten Ansprache vor knapp einem Jahr hat die Blondine es nicht mehr gewagt, ihre haarigen Schalentiere zu einer christlichen Zeit in die Grünanlage scheißen zu lassen.

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