Odessa Star: Roman (German Edition)
auf zehn Millionen Gulden erhöht. »Eine Million ist für dich«, sagte Max. »Den Rest verteilen wir nach einem äußerst gerechten Schlüssel zwischen Mencken und uns. Wenn du die zehn Millionen auf dem Konto hast, hebst du hin und wieder kleinere Beträge ab und gibst sie mir, sagen wir mal, monatlich. Ohne Papierkram, einfach wie in der guten alten Zeit mit einem Köfferchen am vereinbarten Ort bei der alten Eiche oder auf der Toilette einer Tiefgarage, wie im Film. Wer nicht aufkreuzt, den finden wir. Auch wie im Film. Aber davon gehe ich bei einem alten Schulfreund nicht aus.«
Ich hatte mein Bier noch nicht angerührt und starrte Max an. Nichts ist in dem Milieu umsonst! Ich dachte an Erik Mencken, der mich an meinem Geburtstag gefragt hatte, woher ich Max G. kenne, und ich dachte daran, wie Max ein paar Wochen später auf der Terrasse des Timbuktu über Mencken hergezogen war. »Etwa drei Jahre«, hatte Max auf meine Frage geantwortet, wie lange das schon mit diesem »kleinen Projekt« gehe. »Wir machen es natürlich nicht immer, das würde zu sehr auffallen, na ja, also, über den Daumen gepeilt, drei-von viermal. Die Leute wollen doch am liebsten, dass ein Kandidat mit den zehn Millionen nach Hause geht.«
Ich überflog die Speisekarte, ohne sie richtig wahrzunehmen. Ich habe sowieso gleich an dich gedacht. Wann war das »gleich« gewesen? Vor oder nach meinem Geburtstag? Vor oder nach unserer Fahrt am Nordseekanal entlang? Bevor oder nachdem ich meinen Wunsch nach einem eigenen Garten erwähnt hatte? Und dann, wie banal das auch klingt, dachte ich an die Million. Ich dachte an den Film, dessen Titel mir nicht gleich einfallen wollte, in dem Robert Redford dem Ehemann von Demi Moore eine Million für eine Nacht mit seiner Frau bietet. Und wie jeder im Kino hatte ich mir die Frage gestellt, was ich an seiner Stelle tun würde. Christine schien meine Gedanken zu erraten.
»Würdest du mich für eine Million einem anderen Mann verkaufen?«, fragte sie, als der Nachspann lief.
»Vielleicht schon für siebeneinhalb Mille«, antwortete ich. Meine Frau drückte meine Hand.
»Wegen solcher Sätze habe ich dich geheiratet«, sagte sie. Sie kraulte mir die Haare im Nacken. »Bloß höre ich sie in letzter Zeit so wenig.«
Erik Mencken steckt seinen mit Selbstbräuner eingeschmierten Schwanz sehr wahrscheinlich in meine Frau , hätte ich eigentlich zu Max sagen wollen. Im Film wäre das wohl ein ausreichender Grund, mit jemandem ins Amsterdamer Hafengebiet zu fahren und ihm dort von hinten mit einem Eispickel den Schädel einzuschlagen. Aber das sagte ich nicht. Stattdessen fragte ich mich, wie teuer wohl ein Ferrari sei und wie viel ich dann noch übrig behalten würde. Ich sah vor mir, wie ich in dem Ferrari – einem roten, was sonst? – in die Pythagorasstraat einbiegen und mit David eine Probefahrt machen würde. Ein Stinger-System hatte ich selbstverständlich schon gleich einbauen lassen, sodass wir zwischen den Geschwindigkeitskontrollen leicht mit 280 Sachen auf der linken Fahrspur dahinbrettern konnten. »Wo möchtest du hin?«, würde ich ihn fragen. »Zum Strand? Zum Strand von Saint-Tropez, meine ich natürlich.« Ein roter Ferrari wäreein Schlag ins Gesicht der Pythagorasstraat und ihrer Bewohner. Aber durfte sich jemand, der gerade vor Millionen von Zuschauern zehn Millionen Gulden gewonnen hatte, nicht einen echten Wagen gönnen? Aber da lag der Hase im Pfeffer. Mein Blick fiel auf die Penne al vodka. Ich würde keine zehn Millionen bekommen, sondern nur eine. Ein hübsches Auto, ein Sommerhaus und eine Reise in ein Entwicklungsland, und damit hatte es sich.
Max schien meine Gedanken erraten zu haben; er winkte dem Kellner und sagte: »Im Gegensatz zu den anderen kriegst du nicht nur eine Million, sondern obendrein noch eine hübsche Parterrewohnung mit Garten. Aber für einen alten Schulkameraden habe ich gern eine extra Kleinigkeit übrig.«
Darüber wollte ich nun gerade mit ihm reden. Aber ich wartete bis nach der Vorspeise, dem Hauptgericht, dem Nachtisch und den Likörgläschen zum Kaffee auf »Rechnung des Hauses«; ich wartete, bis wir bei dem silbergrauen Mercedes standen und Max mich fragte, ob er mich irgendwo droppen könne.
»Mein Schwager macht mir ein bisschen Kopfzerbrechen«, sagte ich, als Max in der Utrechtsestraat einfach den Straßenbahngleisen folgte und sich nicht die Mühe gab, um die Verkehrsinseln zu kurven; nach den ersten Likörgläschen auf Rechnung des Hauses
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